Mitten in Amerika
mehr Anrufe, und Ace kam jedesmal und holte sie zurück nach Hause zu Vollie und der kleinen Dawn. Insgeheim erinnerte er sich an Vollies Schwester Maxine und dachte sich, daß es bei den Eckensteins wohl in der Familie lag, vaterlose Kinder zu kriegen. Vollie hatte nie ein zweites Kind bekommen.
15. Abel und Kain
R ekordverdächtige Hitze lastete brütend auf dem Vormittag im späten April. Bob trat aus der Arbeiterbaracke in das flirrende Glühen einer Sauna mit bernsteinfarbener Beleuchtung. Der gefleckte Kater, von LaVon aus dem Haus verbannt, seit er die Tarantelbehälter vom Tisch geworfen und die böse Tonya auf freien Fuß gesetzt hatte, lag auf der Seite und schnappte nach Luft. Bob öffnete die Tür des Saturns. Das Lenkrad war bereits so heiß, daß er es nicht anfassen konnte. Er hätte am Vorabend die Abdeckung auf die Windschutzscheibe legen sollen. Er benutzte die Kappe mit Futtermittelreklame, die er am Silo geschenkt bekommen hatte, als Lenkradtopflappen und fuhr erst in die Stadt, um seine Post abzuholen, und dann zu LaVon, um ihr beim Möbelumräumen zu helfen.
Auf dem Beifahrersitz lag ein Brief von Ribeye Cluke. Den wollte er lieber erst am Abend lesen.
Dienstags nachmittags versammelte sich das Round-RobinBaptist-Bible-Quiltkränzchen im Haus einer der Teilnehmerinnen. Nach Monaten war diesmal LaVon an der Reihe, und den ganzen Montag verbrachte sie damit, Leckereien zu kochen und zu backen und Eiswürfel vorzubereiten, und Bob war dazu ausersehen, ihr zu helfen, Kartons voller Unterlagen und Fotos für das Ländliche Kompendium sowie alle Möbel aus dem Wohnzimmer zu schaffen.
»Sind Sie alle Mitglieder derselben Glaubensgemeinschaft?« fragte Bob.
»Fast, aber nicht ganz. Die meisten sind Mitglieder der Baptistengemeinde des Seligen Lehmklumpens, aber es gibt auch ein paar andere. Rella Nooncaster ist von der Kirche des WortesGottes, und Mrs. Stinchcomb ist tragende Säule der Freiwilligen Baptistengemeinde, und Freda Beautyrooms ist Methodistin, obwohl sie fast nur zu Baptistentreffen geht.«
In dem leeren Zimmer errichteten sie aus zwei lackierten Sperrholztafeln und Böcken einen riesigen Arbeitstisch. Bob holte Klappstühle vom Speicher, je zwei unter jedem Arm, und dachte sich dabei, daß es mit dem Hinuntertragen nicht getan sein dürfte. Die Dachsparren knarrten und knackten in der brütenden Hitze, und er hatte den Eindruck, daß LaVon hier oben ohne weiteres einen Kuchen backen konnte. In der Küche holte er sich ein Glas Wasser aus dem Kühlschrank, süßes, kaltes Ogallalawasser, vom Windrad hochgepumpt. Es war so kalt, daß ihm die Schläfen schmerzten, eine herrliche Kälte, während sich draußen die Hitze aufstaute. Die Hitze pochte wie pulsierendes Blut, stach von einem Himmel hernieder, der wie eine Windschutzscheibe nach oben hin dunkler wurde und in den die feindselige sengende Sonne eingelassen war.
Die Erfrischungen sollten auf der schattigen Veranda serviert werden, sagte LaVon, denn der Wetterbericht prophezeie für den Nachmittag Abkühlung, und wenn Bob wirklich etwas über die Leute von Woolybucket erfahren wolle, könne er sich nützlich machen und beim Auftragen von Speisen und Eistee helfen. (Sie habe sich, sagte sie, für Limonensoda mit Eiscreme, geräucherte Austern und Reissalat entschieden, Rezepte aus ihrem Esquire Party Book von 1955.)
»Da erfahren Sie mehr über die alten Zeiten und was in der Stadt los war, als wenn Sie fünfzig Jahre lang in Woolybucket leben würden. Das Quiltkränzchen haben wir 1978 mit fünf Frauen gegründet. Heute sind wir zwanzig. Wir treffen uns jede Woche für drei Stunden. Das macht sechzig Wochenstunden mal fünfzig Wochen – Weihnachten und Ostern setzen wir aus –, also mehr als dreitausend Arbeitsstunden pro Quilt. Unbezahlbar. Unser erster Quilt war der Garten Eden, und Sie machensich keine Vorstellung, wie schön der war. Er blieb nicht lange in Woolybucket. Er wurde verlost – das werden sie alle – zugunsten eines neuen Kirchendachs, und der Zufall wollte, daß ihn Pater Christopher gewann, der Priester der katholischen Harmonica-Gemeinde in Popeye, Oklahoma. Er hat ihn dann Leuten geschenkt, deren Namen ich nicht nenne, die kaum was zum Zudecken hatten, und das mitten im Winter. Und die hatten nichts Besseres zu tun, als ihn umgehend für fünfzig Dollar zu verkaufen, soweit ich weiß, um sich Zigaretten und Bier zu kaufen. Zuletzt landete der Quilt in einer Kunstgalerie in Dallas, und eine
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