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Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Titel: Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Schulmeister
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Europa – das normative Element stärkt, dass sie wieder (gesamteuropäische) Visionen entwickelt und sich somit der Frage stellt, die im Zentrum eines politischen Leadership stehen müsste: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Auf welchen Wegen könnten wir dahin gelangen, und was sollen die ersten Schritte sein? Nachdem die neoliberale Ideologie so lange die Wirtschaft und die Märkte zu Subjekten erhoben und den Menschen zu ihrem (sich selbst entfremdeten) Objekt degradiert hatte, tut es Not, dieses Verhältnis wieder auf die Füße zu stellen.
    Dafür braucht die Politik ein offensives Alternativkonzept, das auf einer systemischen Analyse des Heranwachsens der bedrückendsten Probleme beruht, das die Kräfte des gesellschaftlichen Mittelfelds stärkt, insbesondere die Kooperation zwischen Unternehmen und Gewerkschaften, und das die Probleme Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit und Klimawandel durch eine Gesamtstrategie und damit gemeinsam zu bewältigen sucht. Das hier skizzierte Konzept eines »New Deal« für Europa kann gewissermaßen als ein Versuch verstanden werden, auf die Klage von Habermas zu reagieren, es regiere eine »normativ abgerüstete Generation, die (…) auf Ziele und politische Gestaltungsabsichten« verzichte (Habermas, 2010).
    Wie auch immer das Wechselspiel von realer Wirtschaftsentwicklung, Nachdenken, Wahrnehmen und der Entwicklung neuer Konzepte in den kommenden Jahren verlaufen wird: Der Übergang von einer finanzkapitalistischen zu einer realkapitalistischen Spielanordnung und vom neoliberalen Paradigma zu einem neuen Paradigma wird lange dauern. Es geht ja nicht um eine simple Rückkehr zum Keynesianismus plus Soziale Marktwirtschaft, Neues muss gedacht und realisiert, das »gute Alte« gleichzeitig aufgehoben werden im Sinne Hegels (den Entwurf eines »guten Kapitalismus« haben kürzlich Dullien/Herr/Kellermann, 2009, vorgestellt).

10. Die wichtigsten Herausforderungen der Wirtschaftspolitik
     
    In den kommenden Jahren sollte die Politik jene gemeinschaftlichen Aufgaben verstärkt wahrnehmen, die im neoliberalen Zeitalter vernachlässigt wurden. Dies gilt für die globale Ebene, insbesondere aber für die europäische und nationale Ebene:
Umweltschutz, insbesondere Kampf gegen den Klimawandel.
Verbesserung der Infrastruktur durch öffentliche Investitionen.
Umfassende Investitionen ins Bildungssystem, vom Vorschulbereich bis zu den Universitäten.
Verbesserung und Verbilligung der Wohnmöglichkeiten für junge Menschen.
Bessere Entfaltungschancen für die Jungen am Arbeitsmarkt, insbesondere durch schrittweise Rückführung der Formen atypischer Beschäftigung.
Verbesserung der Lebenschancen von Menschen aus den niedrigen sozialen Schichten, insbesondere durch bessere Integration von Personen mit Migrationshintergrund (sie werden als die Sündenböcke in einer neuen Depression dienen).
Milderung der Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung und damit Stärkung des sozialen Zusammenhalts.
    All diese Aufgaben haben ein gemeinsames Hauptziel: Jene sozialen und ökologischen Bedingungen für »gut Leben« zu verbessern, die als öffentliche Güter durch den Markt nicht gewährleistet werden können. Indem sich die Wirtschaftspolitik auf diese Aufgaben konzentriert, ermöglicht sie gleichzeitig einen sinnvollen Einsatz der durch die große Krise freigesetzten Produktionskapazitäten von Arbeit und Realkapital.

11. Leitlinien eines »New Deal« für Europa
     
    Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, sollte sich die Politik an folgenden Leitlinien orientieren:
Leitlinie 1: Stärkung des Steuerungsprinzips Kooperation und damit auch des Systems Politik als Voraussetzung für eine effiziente Kombination mit dem Steuerungsprinzip Konkurrenz bzw. dem System Markt. A priori kann weder dem Markt, noch dem Staat ein Steuerungsprimat zugesprochen werden, die Funktionsteilung hat vielmehr den jeweiligen Aufgaben zu entsprechen. So hat das System Politik in den Bereichen Gesundheit, Bildung, sozialer Ausgleich oder Umwelt eine höhere Lösungskompetenz, das System Markt hingegen bei Erstellung und Verteilung rein privater Güter. 10
Leitlinie 2: Lenkung des Gewinnstrebens von kurzfristig-spekulativen Transaktionen auf Finanzmärkten zu langfristig orientierten Aktivitäten auf Gütermärkten. Konkret bedeutet dies: Stärkung der Interessen von Realkapital und Arbeit, Schwächung der Interessen des Finanzkapitals und seiner Vertreter im

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