Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
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Umverteilung von Einkommen vom Haushaltssektor zum Staat auf eine solche Weise, dass das private Sparen sinkt, nicht aber der Konsum.
Dämpfung kurzfristig-spekulativer Aktivitäten auf den Finanzmärkten.
Förderung der realwirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen und damit auch ihrer Investitions-, Kredit- und Beschäftigungsbereitschaft.
Ausweitung staatlicher Aktivität im Bildungs- und Sozialbereich.
Diese Zwischenziele werden erreicht durch (in Anlehnung an den »New Deal« Roosevelts und die jüngsten Budgetpläne von Obama):
Erhebliche Beiträge der Besser- und Bestverdiener.
Stärkere Besteuerung von Finanztransaktionen und von Finanzvermögen relativ zu Aktivitäten in der Realwirtschaft beziehungsweise dem Realkapital.
Verwendung eines Teils der zusätzlichen Mittel für Aufträge an die Unternehmen mit möglichst hohen Multiplikatoreffekten im Inland (insbesondere in den Bereichen Umwelt, Infrastruktur, Wohnungswesen) sowie für zusätzliche Jobs im Bildungswesen und im Sozialbereich, insbesondere für Integration und Armutsbekämpfung.
Konkrete Maßnahmen, die diesen Zielsetzungen entsprechen, wären etwa mäßige Steuern auf (Finanz-)Vermögen (einschließlich Erbschaftssteuern), auf Finanztransaktionen, oder die steuerliche Gleichstellung der Privatstiftungen mit Normalbürgern (25 Prozent KEST auf alle ihre Erträge). Solche Maßnahmen werden den Konsum nicht nennenswert dämpfen, sondern lediglich die (Finanz-)Akkumulation der sehr Reichen (ihr Sparen). Gleichzeitig gewinnt die Politik den für eine Stimulierung der Realwirtschaft notwendigen finanziellen Handlungsspielraum, insbesondere für folgende Projekte:
»Generalstabsmäßig« organisierte, flächendeckende thermische Sanierung des Gebäudebestands in Österreich.
Massive Investitionen in das Bildungswesen, vom Vor- und Pflichtschulbereich bis zu den Universitäten.
Förderung des gemeinnützigen Wohnbaus.
Bei diesen Prototypen eines makroökonomisch effizienten Maßnahmenbündels handelt es sich um eine Kombination der Anwendung des Haavelmo-Theorems mit der Realisierung eines Ausgabenparadox (Sparparadox mit umgekehrten Vorzeichen) 12 : Durch zusätzliche Staatsausgaben mit großer Hebel- und Multiplikatorwirkung wird die Produktion stimuliert (Unternehmer und Arbeitnehmer werden gestützt), sodass die zusätzlichen Staatseinnahmen höher sind als die Anschubfinanzierung. Darüber hinaus verbessert der Staat seine Finanzlage durch solche Konsolidierungsbeiträge, welche die Konsumnachfrage nicht nennenswert dämpfen.
Das erfolgreichste Beispiel für eine solche Gesamtstrategie war der »New Deal« von Roosevelt: Zwischen 1933 bis 1936 expandierte das BIP in den USA um fast 40 Prozent (aber selbst 1937 war die Erholung noch nicht selbsttragend geworden – als der Staat in diesem Jahr zu sparen begann, fiel die Wirtschaft 1938 wieder in eine Rezession).
Ein anderes Beispiel stellt die Wirtschaftspolitik in den USA unter Clinton dar: Die öffentliche Konsum-, Investitions- und Beschäftigungsnachfrage wurde jedes Jahr ausgeweitet, das dadurch mitverursachte Wirtschaftswachstum sowie eine markante Erhöhung des Spitzensteuersatzes ließen die Steuereinnahmen sprudeln, der Budgetsaldo verbesserte sich zwischen 1992 und 2000 um etwa acht BIP -Prozentpunkte, und zwar ohne irgendwelche Sparpakete (im Detail dazu: Schulmeister, 2007B).
In einer schweren Wirtschaftskrise ist eine expansive Konsolidierungsstrategie deshalb unverzichtbar, weil sich der private Sektor (Haushalte und Unternehmen) durch Sparen zurückzieht, eine Erhöhung der Staatsquote also unvermeidlich ist: Entweder wird sie bei schrumpfender Wirtschaft erlitten oder durch eine aktive Wirtschaftspolitik, die wichtige Aufgaben bewältigt und die Wirtschaft stimuliert, herbeigeführt.
Natürlich gäbe es noch andere Maßnahmen für höhere Staatseinnahmen, die in erster Linie das Sparen und nicht den Konsum dämpfen, wie eine Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung oder eine (temporäre) Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Optimal wären Maßnahmen, die das Gewinnstreben von der Finanz- zur Realwirtschaft lenken:
Einführung einer generellen Finanztransaktionssteuer (dies müsste allerdings im internationalen Gleichschritt erfolgen, zumindest in den die wichtigsten EU -Ländern).
Erhöhung der Besteuerung von Finanzkapitalerträgen an der Quelle auf 35 Prozent (das ginge rasch und hätte auch akzeptable Verteilungseffekte).
Temporäre Abgabe auf
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