Mitten in der Nacht
Träume. Jetzt leuchteten sie so kräftig, dass sie ihr in die Augen stachen. Leuchteten so sehr, dass sie blendeten.
Und ihr Angst machten.
Heirat. Der Mann wollte heiraten, aber sie glaubte nicht an Versprechungen, bis man Blut vergossen hatte, um sie zu halten.
Würde sie das? Könnte sie das?
»Ich denke, ich möchte es«, sagte sie leise. »Ich denke, ich möchte es für ihn.«
Während sie das sagte, flog die Schranktür auf. Ein schwerer blauer Becher kam herausgeschossen und ging zu ihren Füßen zu Bruch.
Mit einem Satz und wild klopfendem Herzen brachte sie sich vor den Splittern in Sicherheit, die auf ihre Knöchel regneten. Grimmig starrte sie auf das Blut, das aus winzigen Schnitten quoll.
»Offenbar habe ich schon geblutet. Du willst das nicht, nicht wahr?« Mit der Schüssel in der Hand drehte sie sich einmal im Kreis. »Du möchtest uns auf keinen Fall vereint sehen. Aber wir werden es schon rauskriegen, wer am Ende Sieger bleibt, oder? Das werden wir garantiert.«
Bedächtig hob sie eine der Scherben auf und ritzte sich damit den Daumen. Als das Blut herausquoll, hob sie die Hand hoch und ließ es tropfen. »Ich bin nicht schwach wie er. Wenn ich Liebe annehme, wenn ich Liebe verspreche, dann halte ich sie auch.«
Als es läutete, schreckte sie hoch. Es war Declans Melodie. Die ersten Töne. Angst und Verwunderung zogen ihr die Kehle zu, und sie hätte fast die Schüssel fallen lassen.
»Mein Gott, mach doch die Tür auf, hörst du?« Seine Stimme dröhnte verbittert und ärgerlich nach unten. »Und dann bring den Idioten um, der jetzt klingelt.«
Türklingel? Sie fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar. Er hatte eine Türklingel installiert, die »Nach dem Ball« spielte? War das nicht wieder typisch für ihn?
»Wenn du mich weiterhin so anschreist«, rief sie ihm zu, als sie den Flur entlangging, »dann wirst du noch mit was Schlimmerem als einem Kater kämpfen müssen.«
»Würdest du gehen und mich in Ruhe sterben lassen, müsste ich nicht brüllen.«
»In zwei Sekunden komme ich hoch zu dir und drehe dir den Hals um. Und wenn ich dir den Hals umgedreht habe, werde ich dir einen Arschtritt verpassen.«
Mit dieser letzten Drohung riss sie die Tür auf und sah sich einem sehr stattlichen Paar gegenüber. Mit nur einem Lidschlag war Lena so weit klar im Kopf, dass sie Declans Augen erkannte, die sie neugierig aus dem Gesicht der Frau musterten.
»Ich bin Colleen Fitzgerald.« Die sehr gepflegte, reizende, blonde Frau streckte ihr eine elegante Hand hin. »Und wer sind Sie? Falls es sich bei dem Arsch, dem Sie einen Tritt verpassen wollen, um den meines Sohnes handeln sollte, wüsste ich gern Ihren Namen.«
»Mama?« Triefnass vom Duschen und mit nichts weiter als gerippten Trikotshorts bekleidet, eilte Declan oben zur Treppe. »Hallo! Mama, Papa.« Trotz des verheerenden Katzenjammers kam er nach unten geschossen, umarmte beide gleichzeitig und drückte sie fest an sich. »Ich dachte, ihr fliegt erst morgen.«
»Planänderung. Stehst du gerade erst auf?«, wollte Colleen wissen. »Es ist schon ein Uhr nachmittags.«
»Gestern Abend war die Junggesellenparty. Harte Schnäpse, leichte Frauen.«
»Tatsächlich?« , wunderte sich Colleen und warf dabei einen Blick auf Lena.
»O nein. Die nicht. Sie ist gekommen, um Florence Nightingale zu spielen. Colleen und Patrick Fitzgerald, Angelina Simone.«
»Schön, Sie kennen zu lernen.« Der große, schlaksige Patrick, dessen dunkles Haar an den Schläfen einen umwerfenden Silberton annahm, bedachte Lena mit einem großzügigen Lächeln. Seine blauen Augen strahlten kühn, als er ihr die Hand entgegenstreckte.
Als er aber ihren Daumen sah, wurden sie schmal vor Besorgnis. »Sie haben sich verletzt.«
»Ach, das ist nichts.«
»Was hast du gemacht? Du blutest ja. Herrje, Lena.« Panisch ergriff Declan ihr Handgelenk und zog sie mit solcher Wucht in die Küche, dass sie fast gestolpert wäre.
»Es ist bloß ein Kratzer. Hör auf, Declan. Deine Eltern. Du bringst mich in Verlegenheit«, fauchte sie.
»Halt den Mund. Lass mich sehen, wie tief die Wunde ist.«
Noch immer an der Tür stehend, wandte Patrick sich an seine Frau. »Sie ist das also?«
»Er glaubt es jedenfalls.« Colleen zog eine Schnute und trat ein. »Komm, lass uns das hier inspizieren.«
»Die sieht aber wirklich klasse aus.«
»Ich habe Augen im Kopf, Patrick.« Und sie benutzte sie, um das Haus aufzunehmen, während sie Declans Eilschritten folgten.
Es war mehr,
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