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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Bleistift hatte er darauf die Abmessungen der Schränke markiert, die er am nächsten Tag in Angriff nehmen wollte. Er hatte sich sogar an die Fugen der Herdkacheln gewagt und fand, dass er seine Arbeit gar nicht so übel gemacht hatte. Der alte Kiefernboden war freigelegt worden und wurde jetzt von Abdeckplanen geschützt. Nach langem Hin und Her hatte er sich letztendlich für die U-Form entschieden und die Stellen bestimmt, an denen der Küchenherd und der Kühlschrank ihren Platz finden würden.
    Sollte er nicht den richtigen Geschirrschrank für die lange Wand finden, dann würde er den eben auch noch selbst tischlern. Er war jetzt gut eingearbeitet.
    Mit einer Flasche Wasser ging er nach oben, duschte die nun schon Gewohnheit gewordenen zehn Minuten und streckte sich danach mit seinen Notizen, Zeichnungen und Büchern auf dem Bett aus. Aber inmitten seiner Planungen für den vorderen Salon schlief er ein.
    Und erwachte zitternd vor Kälte in völliger Dunkelheit. Das Baby hatte ihn geweckt. Die schwachen Schreie klangen ihm noch in den Ohren, als er sich mit wild gegen die Rippen pochendem Herzen im Bett aufsetzte.
    Er wusste nicht, wo er war, nur dass er auf dem Fußboden anstatt in seinem Bett lag. Und es war so kalt, dass er den weißen Hauch seines eigenen Atems in die tintige Dunkelheit schweben sah.
    Er rollte sich zur Seite und schaffte es, auf die Füße zu kommen. Wie ein Blinder tappte er mit ausgestreckten Armen in die Luft, als er einen vorsichtigen Schritt vorwärts wagte.
    Lilien. Sein Körper erschauderte, als er den Duft registrierte. Jetzt wusste er, wo er war – in dem Zimmer, das ein Stück vor seinem auf dem Flur lag. Der Raum, dem er ebenso wie dem im zweiten Stock in den letzten Tagen so sorgfältig ausgewichen war.
    Jetzt hatte er ihn betreten, überlegte er nach einem weiteren schlurfenden Schritt. Und er wusste, dass er nicht allein war, so absurd dieser Gedanke war.
    »Du kannst mir zwar Angst machen. Aber vertreiben kannst du mich nicht.«
    Seine Finger ertasteten etwas Festes. Er schrie auf und riss sie zurück, kurz bevor ihm klar wurde, dass es sich um eine Wand handelte. Nachdem er ein paar Mal zur Beruhigung tief Luft geholt hatte, tastete er sich weiter, stolperte über eine Leiste, tappte mit den Fingern über Glas. Endlich fühlte er den Knauf der Galerietür und stieß diese auf.
    Feucht und schwer legte sich die Januarluft auf seine ausgekühlte Haut. Er stolperte vorwärts, suchte Halt am Geländer. Die Nacht war wie das Innere einer Höhle. Das alte Sprichwort stimmte also: Nichts war so dunkel wie die Dunkelheit auf dem Land.
    Als Declans Augen sich daran gewöhnt hatten, wandte er sich um und zog die Tür zu dem Zimmer fest zu.
    »Das ist jetzt mein Haus«, sagte er leise und ging über die Galerie bis zu seinem Schlafzimmer, öffnete die Tür und verschwand darin.
    »Schlafwandeln?« Remy schob sich noch eine Gabel Reis in den Mund.
    »Ja. Ich habe das sechs Monate lang mitgemacht, als ich etwa elf Jahre alt war.« Declan zuckte mit den Schultern, konnte die Last aber kaum abschütteln.
    Eigentlich hatte er nicht beabsichtigt, dieses Thema anzuschneiden, wollte es höchstens beiläufig erwähnen. Das Abendessen, das Effie in Remys Wohnung im Garden District vorbereitet hatte, war angenehm wie die Gesellschaft. Aber irgendwie war er von den Fortschritten seiner Bautätigkeit auf seine nächtlichen Abenteuer zu sprechen gekommen.
    »Das muss ja entsetzlich sein«, meinte Effie, »aufzuwachen und sich irgendwo anders wiederzufinden.«
    »Gespenstisch ist es allemal. Und komischerweise lande ich immer in den beiden Räumen, die mir am meisten Unbehagen bereiten. Aber das ist vermutlich nur logisch. Irgendein Abkommen mit dem Unterbewusstsein.«
    »Solang du dabei im Haus bleibst«, warf Remy ein. »Ich möchte nicht erfahren müssen, dass du schlafwandelnd in den Sumpf gegangen bist.«
    »Entzückende Vorstellung. Danke.«
    »Remy.« Effie schlug auf seine Hand. »Vielleicht solltest du dich an einen Arzt wenden«, schlug sie Declan vor. »Du könntest was einnehmen, damit du besser schläfst.«
    »Vielleicht. Ich bin jetzt eine Woche dort, und es ist zwei Mal vorgekommen. Außerdem werden gegen einen Geist ein paar Beruhigungspillen nichts ausrichten.«
    »Da ist doch nichts weiter als Zugluft und altes Holz, das arbeitet.«
    Remy grinste. »Effie glaubt nicht an Geister.«
    »Und auch nicht an Tarotkarten oder das Lesen in Teeblättern oder sonstigen Unsinn dieser Art.«

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