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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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spürte das kurze Aufblitzen von Hunger. Seine Hände waren sanft, drückten sie aber fest an ihn.
    Langsam drang sein Geschmack wie etwas halb Erinnertes in ihr Blut ein.
    Jemand öffnete die Bartür. Musik schallte heraus, wurde wieder leiser, als die Tür zufiel. Ein Wagen raste auf der Straße hinter ihnen vorbei, Musik dröhnte durch die offenen Fenster.
    Hitze breitete sich auf ihrer Haut aus, darunter ebenso, so dass ihre Hände, die auf seinen Schultern geruht hatten, hochwanderten und sich in seinem Nacken schlossen.
    »Sehr gut bist du darin«, wiederholte sie und drehte dabei ihren Kopf, so dass ihre Wange gegen seine rieb. Einmal, dann noch einmal. »Aber du kommst heute Abend nicht mit hoch. Ich muss erst noch über dich nachdenken.«
    »In Ordnung. Aber ich komme wieder.«
    »Sie kommen immer zurück zu Lena.« Eine Zeit lang, dachte sie, als sie sich von ihm löste. »Geh jetzt nach Hause, Declan.«
    »Ich warte nur noch, bis du drinnen bist.«
    Ihre Brauen gingen nach oben. »Du bist mir einer.« Weil es so reizend von ihm war, gab sie ihm einen Wangenkuss, ehe sie zur Treppe und nach oben ging.
    Als sie ihre Tür aufschloss und einen Blick zurückwarf, stand er noch immer da. »Jetzt hast du bestimmt süße Träume, cher.«
    »Das wäre mal eine angenehme Abwechslung«, murmelte er, als sie die Tür hinter sich zuzog.
     

5
Manet Hall
2. Januar 1900
    Lügen waren es. Es mussten Lügen sein, und zwar von der grausamsten, kältesten Art. Nie würde er glauben, niemals glauben, dass seine süße Abby von ihm weggelaufen war. Ihn verlassen hatte, ihr gemeinsames Kind verlassen hatte.
    Lucian saß auf der Bettkante, war gefangen in seiner Benommenheit, die ihn seit seiner Heimkehr vor zwei Tagen nicht mehr losließ. Heimgekehrt, um das Herrenhaus in Aufruhr anzutreffen, weil seine Frau fehlte.
    Ein anderer Mann. Behaupteten sie jedenfalls. Eine alte Liebe, mit der sie sich insgeheim getroffen habe, wann immer Lucian geschäftlich in New Orleans zu tun hatte.
    Lügen.
    Er war der einzige Mann für sie gewesen. Er hatte einen Engel zur Frau genommen, eine Jungfrau an ihr Hochzeitsbett geführt.
    Ihr war etwas zugestoßen. Er öffnete und schloss seine Hand über der Anstecknadel mit der Uhr, die er ihr geschenkt hatte, als er sie gebeten hatte, seine Frau zu werden. Etwas Schreckliches.
    Aber was? Was konnte sie dazu getrieben haben, mitten in der Nacht das Haus zu verlassen?
    Eine kranke Verwandte, überlegte er, als er aufstand und anfing im Kreis herumzulaufen.
    Aber er wusste, dass dem nicht so war. War er nicht wie ein Wahnsinniger ins Marschland geritten, um dort ihre Familie, ihre Freunde zu fragen, aufzufordern, anzuflehen, ob sie wussten, was aus ihr geworden war?
    Selbst jetzt, in diesem Augenblick, suchten Leute nach ihr, auf der Straße, in den Sümpfen, auf den Feldern.
    Aber schon verbreiteten sich Gerüchte und Klatsch wie ein Lauffeuer entlang des Flusses.
    Lucian Manets junges Weib war mit einem anderen durchgebrannt.
    Und er konnte das Getuschel hinter dem Raunen hören. Was hat er denn erwartet? Cajun-Schmutz. Wahrscheinlich ist auch das kleine Mädchen im Bayou entstanden, und sie hat es ihm als seins untergeschoben.
    Entsetzliche, boshafte Lügen.
    Die Tür ging auf. Josephine hatte noch nicht einmal ein flüchtiges Anklopfen für nötig erachtet. Manet Hall gehörte ihr, jetzt und immer. Sie konnte nach Lust und Laune in allen seinen Räumen ein und aus gehen.
    »Lucian.«
    Er wirbelte herum. »Man hat sie gefunden?« Er hatte noch seine schmutzigen Kleider von der letzten Suche an, und Hoffnung schimmerte durch den Schmutz auf seinem Gesicht.
    »Nein, hat man nicht.« Sie ließ die Tür gereizt hinter sich ins Schloss fallen. »Man wird sie auch nicht finden. Sie ist abgehauen, und wahrscheinlich lacht sie sich im Moment mit ihrem Liebhaber über dich ins Fäustchen.«
    Sie glaubte beinahe daran. Bald schon, überlegte sie, wird es die Wahrheit sein.
    »Sie ist nicht abgehauen.«
    »Du bist ein Narr. Du warst ein Narr, sie zu heiraten, und du bleibst ein Narr.« Sie ging an den Kleiderschrank und riss die Tür auf. »Siehst du denn nicht, dass einige ihrer Kleider fehlen? Hat ihr Mädchen das nicht ausgesagt?«
    Er sah nur das blaue Ballkleid mit den Volants und Rosetten, auf das sie so stolz gewesen war.
    »Das Mädchen hat sich geirrt.« Aber seine Stimme schwankte.
    »Du irrst dich. Was ist mit ihrem Schmuck?« Josephine zog eine Lederschatulle aus dem Regal und stieß den Deckel

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