Mitten in der Nacht
tauchen oder reglos verharren sollte, als das schwarze Bündel von der Größe eines Ponys schlitternd zum Stehen kam.
Rufus unterbrach sein ohrenzerreißendes Gebell mit grummelndem Knurren, geräuschvollem Zähneblecken und Lefzenzeigen. Da Declan berechtigte Zweifel daran hatte, den Hund mit einem Strauß Gänseblümchen überwältigen zu können, entschied er sich für die freundliche Annäherung.
»Na du großer, großer Rufus. Wie geht's, wie steht's?«
Rufus schnüffelte an seinen Stiefeln, am Bein hoch und direkt in den Schritt.
»Mann, wer wird denn gleich so persönlich werden.« Beim Gedanken an diese Zähne beschloss Declan, doch lieber seine Hand als seinen Schwanz zu riskieren, und streckte sie langsam aus, um dem massigen Kopf einen Schubs zu geben und ihn zu tätscheln.
Rufus blickte mit seinen leuchtend braunen Augen zu ihm hoch, stellte sich in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf die Hinterbeine und pflanzte seine riesigen Pfoten auf Declans Schultern.
Mit einer Zunge, so lang und breit wie der Mississippi, fuhr er über Declans Gesicht. Seitlich an seinen Laster geklammert, hoffte Declan, dass dieses ausgiebige Geschlabber der Begrüßung diente und nicht dem Weichklopfen der Beute.
»Ich freu mich auch, dich kennen zu lernen.«
»Runter jetzt, Rufus.«
Auf den sanften Befehl von der Eingangstür hin, ließ der Hund von ihm ab, setzte sich und klopfte mit dem Schwanz.
Die Frau auf der Veranda war jünger, als Declan erwartet hatte. Sie schien gerade mal Anfang sechzig. Von der Statur her war sie genauso zierlich wie ihre Enkelin, hatte die gleichen scharfen Ebenen im Gesicht. Ihre Haare, die sie als offene Lockenmähne trug, waren schwarz, von weißen Strähnen durchzogen.
Sie hatte ein Baumwollkleid an, das ihr bis zur Wade reichte, darüber einen ausgeleierten roten Pullover. Die Füße steckten in festen braunen Stiefeln, über deren Rand dicke rote Socken hingen. Als sie ihre Hände in die schmalen Hüften stemmte, klimperten ihre Armreifen.
»Ihr Geruch hat ihm gefallen und ihr Klang auch, deshalb hat er Ihnen einen Willkommenskuss gegeben.«
»Und wenn er mich nicht gemocht hätte?«
Sie lächelte, und blitzartig vertieften sich die Linien, welche die Zeit in ihr Gesicht geätzt hatte. »Was meinen Sie?«
»Ich glaube, ich bin froh, dass ich angenehm rieche. Ich bin Declan Fitzgerald, Mrs. Simone. Ich habe Manet Hall gekauft.«
»Ich weiß, wer Sie sind. Kommen Sie doch rein und nehmen Sie ein Weilchen Platz.« Sie trat zurück und öffnete die wackelige Fliegentür.
Begleitet von dem neben ihm hertrottenden Hund, ging Declan auf die Veranda zu. »Schön, Sie kennen zu lernen, Mrs. Simone.«
Sie musterte ihn – ein offenes, vorsichtiges Starren aus dunklen Augen. »Sie sind aber ein Hübscher.«
»Danke.« Er reichte ihr die Blumen. »Sie aber auch.«
Sie nahm die Blumen und schürzte die Lippen. »Sind Sie gekommen, um mir den Hof zu machen, Declan Fitzgerald?«
»Können Sie kochen?«
Sie lachte, ein kräftiger, rauchiger Klang, und er verliebte sich ein wenig. »Ich habe frisches Maisbrot gebacken, bilden Sie sich also selbst ein Urteil.«
Sie ging voran, den schnurgerade verlaufenden Flur entlang. Er erhaschte die Sicht auf den Salon, auf Schlafzimmer – in einem hing ein eisernes Kreuz über einem schlichten Eisenbett –, in ein Nähzimmer, alles auf gemütliche Weise voll gestopft und blitzblank.
Es duftete nach Möbelpolitur und Lavendel, ein paar Schritte von der Küche entfernt fing er die Backdüfte ein.
»Ma'am? Ich bin einunddreißig, finanziell gut situiert, und beim letzten Gesundheitscheck wurde mir ausgezeichnete Gesundheit bescheinigt. Ich rauche nicht, trinke in Maßen und bin ziemlich ordentlich. Wenn Sie mich heiraten, werde ich Sie wie eine Königin behandeln.«
Sie kicherte und schüttelte den Kopf, dann winkte sie ihn an den Küchentisch. »Nehmen Sie Platz, und strecken Sie Ihre langen Beine unter dem Tisch aus, damit ich nicht darüber stolpere. Und da Sie nun schon mal derart für mich entbrannt sind, dürfen Sie mich Miss Odette nennen.«
Sie stellte eine Platte auf der Küchentheke zurecht und holte Teller aus dem Schrank. Während sie das Maisbrot in Scheiben schnitt, schaute Declan aus ihrer Küchentür.
Vor ihm lag der Bayou, ein Traum aus dunklem Wasser und den Luftwurzeln der Zypressen, Bäume, die als dunkles Spiegelbild auf der Oberfläche schimmerten. Er sah einen Vogel mit hellroten Flügeln die Luft durchbohren und
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