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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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los. Ließen es aus dem Testament streichen. Offensichtlich wurde es von den Rouses aufgezogen. Über Abigail Rouse kann ich über die Urkunden zu ihrer Geburt und ihrer Hochzeit hinaus nichts finden.«
    »Vielleicht haben sie sie aus dem Haus geworfen, als Lucian starb.«
    »Gut möglich. Ich habe mit Remy darüber gesprochen.« Sie ging auf die Fensterfront zu, starrte hinaus auf den verwilderten Garten. »Er ist sich nicht ganz sicher, aber er scheint sich an Geschichten erinnern zu können, nach denen sie mit einem anderen Mann durchgebrannt sein soll.«
    Sie kehrte zurück. »Die Geschichten, die man von der Rouse-Seite hört, widersprechen dem aufs Schärfste. Sie gehen von üblen Machenschaften aus. Ein vollständigeres Bild von Abigail und dem, was möglicherweise passiert ist, könntest du dir sicherlich machen, wenn du mit jemandem aus der Familie Rouse oder Simone sprichst.«
    »Ein klares Bild von einem Mädchen, das abgehauen oder vor hundert Jahren gestorben ist.«
    »Wir sind hier im Süden, mein Lieber. Hundert Jahre sind wie gestern. Sie war siebzehn, als sie Lucian heiratete. Sie kam aus dem Bayou. Seine Familie dürfte von einer solchen Verbindung nicht begeistert gewesen sein. Ihr Leben in diesem Haus war bestimmt nicht auf Rosen gebettet. Natürlich könnte es sein, dass sie einfach davongelaufen ist. Andererseits... Ich habe etwas, jemanden in diesem Zimmer da oben gesehen. Ich glaube nicht an solche Dinge. Glaubte nicht.« Effie kämpfte gegen ein Schaudern an. »Ich weiß nicht, was ich jetzt davon halte, aber ich würde es gerne herausfinden.«
    »Ich werde Miss Odette fragen. Und Lena. Ich bin am Montag mit ihr verabredet.«
    »Tatsächlich?« Diese Vorstellung hob ihre Stimmung. »Sieht ganz so aus, als hätten wir bald mehr Gerüchte und Spekulationen.« Sie gab ihm ihr Glas zurück. »Ich muss los. Morgen schicke ich dir Remy her, damit er dir zur Hand geht und mir nicht im Weg ist. Ich habe eine Anprobe für mein Hochzeitskleid und muss mich auch noch um andere Hochzeitsangelegenheiten kümmern.«
    »Ich werde ihn schon beschäftigen.«
    »Was hältst du davon, mit ihm danach in die Stadt zu kommen?«, schlug sie vor, als sie dem Ausgang zusteuerte. Wie gern hätte sie ihn am Arm gepackt und durch die Tür gezerrt und dann nichts wie weg. »Wir könnten zu Abend essen und ins Kino gehen.«
    »Hör auf, dir Sorgen um mich zu machen.«
    »Ich kann's nicht ändern. Immer muss ich daran denken, dass du hier draußen allein in diesem Haus bist, mit diesem Zimmer da oben.« Sie warf einen beunruhigten Blick die Treppe hoch. »Da kriege ich eine Gänsehaut.«
    »Geister tun keinem etwas.« Er küsste ihre Stirn. »Sie sind tot.«
    Aber in der Nacht, bei Wind und Regen und dem Klirren der Geisterflaschen schienen sie sehr lebendig zu sein.
    Den Sonntag genehmigte er sich Ruhe. Er schlief lang, wurde wach, als der Himmel sich ins Helle kämpfte, und brachte im Bett noch eine Stunde mit den Büchern zu, die Effie ihm gebracht hatte.
    Sie hatte die Seiten markiert, die für ihn von besonderem Interesse waren. Er überflog und studierte die alten Fotos des großen Plantagenhauses. Als er auf die Schwarzweißaufnahme von Manet Hall in seiner Jahrhundertwendepracht stieß, durchzuckte es ihn heiß.
    Die Fotografien von Henri und Josephine Manet zeigten keine vergleichbare Wirkung auf ihn. Hier hatte lediglich die Neugier die Oberhand. Die Schönheit der Frau stand außer Frage, sie entsprach ganz dem Geschmack ihrer Zeit mit dem weit ausgeschnittenen Mieder ihres mit Rosen umsäumten Ballkleids und dem hohen, mit Federn besetzten Kamm, der gelocktes, hochgestecktes Haar schmückte.
    Sie wirkte zerbrechlich in diesem Kleid mit der unglaublich schmal geschnürten Taille, die durch den üppig fließenden Brokatrock und die großzügig gebauschten Ärmel noch betont wurde. Dazu trug sie lange weiße Handschuhe.
    Aber auf ihrem Gesicht lag eine Kälte, die unmöglich Folge ihrer starren Pose sein konnte oder sich mit der schlechten Druckqualität erklären ließe. Sie war stärker als die Zerbrechlichkeit und verlieh ihr etwas Furchterregendes.
    Das Foto von Lucian Manet jedoch war ein Aha-Erlebnis.
    Dieses Gesicht hatte er schon gesehen – in seinem Traum. Der gut aussehende junge Mann mit den wehenden goldenen Haaren, der auf seinem Fuchs im Galopp zwischen den bemoosten Eichen dahinritt.
    Vorstellungskraft? Hatte er das Gesicht in seinem Traum für wahr genommen und projizierte es jetzt auf den dem

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