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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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wahr daran ist. Abigail war Dienstmädchen in dem großen Haus. Einige der reichen Familien stellten Cajunmädchen zum Saubermachen und für alles Grobe ein. Es heißt, Lucian Manet sei von Tulane nach Hause gekommen und habe sich in sie verliebt. Sie seien abgehauen und hätten geheiratet. Hätten weg gemusst, weil alle gegen diese Liaison gewesen seien. Seine Familie und die ihre.«
    Sie brach ein Stück Brot ab und knabberte daran, während sie ihn beobachtete. »Wer sich über Standesgrenzen hinwegsetzt, muss mit Ärger rechnen. Später sei er dann mit ihr ins Herrenhaus eingezogen, und das habe weiteren Ärger zur Folge gehabt. Von Josephine Manet haben die Leute behauptet, sie sei eine harte, stolze und kalte Frau gewesen. Man habe es an den Fingern abgezählt, aber das Baby sei doch erst nach zehn Monaten gekommen.«
    »Dieses Zimmer im zweiten Stock. Das muss das Kinderzimmer gewesen sein. Dort hatten sie das Baby untergebracht.«
    »Kann gut sein. Es gab ein Kindermädchen. Das hat später Abigails Bruder geheiratet. Die meisten Geschichten über das Herrenhaus gehen auf sie zurück. Offenbar hatte Lucian ein paar Tage vor Jahresende geschäftlich in New Orleans zu tun. Als er zurückkam, war Abigail weg. Man sagte ihm, sie sei mit irgendeinem Kerl aus dem Bayou durchgebrannt, mit dem sie sich oft heimlich getroffen habe. Aber das klingt ziemlich unwahrscheinlich. Das Kindermädchen – sie hieß Claudine – meinte, Abigail hätte niemals Lucian und das Baby verlassen. Sie behauptete, dass etwas Schlimmes passiert sein müsse, etwas Furchtbares, und sie machte sich Vorwürfe, weil sie sich in der Nacht, in der Abigail verschwand, mit ihrem Freund unten am Fluss getroffen habe.«
    Ein totes Mädchen auf dem Himmelbett in einem kalten Zimmer, überlegte Declan, und die Pasta in seinem Hals wurde zäh wie Klebstoff. Er nahm das Glas mit dem leicht sprudelnden Wasser und trank einen großen Schluck. »Hat man nach ihr gesucht?«
    »Ihre Familie hat überall gesucht. Es heißt auch, Lucian habe bis zum Tag seines Todes das ganze Delta abgegrast. Wenn er nicht nach ihr suchte, sei er in der Stadt gewesen und habe versucht, eine Spur von ihr zu finden. Aber er fand keine, lebte selbst nicht lange genug. Nachdem er nicht mehr war und auch sein von der Mutter in jeder Hinsicht bevorzugter Zwillingsbruder tot war, ließ Miss Josephine das Baby zu Abigails Eltern bringen. Du bist blass geworden, Declan.«
    »Ich fühle mich auch blass. Mach weiter.«
    Als sie diesmal ein Stück Brot abbrach, strich sie Butter darauf und reichte es ihm. Großmama hatte Recht, fand Lena, dieser Mann brauchte was zu essen.
    »Das Baby war die Großmutter meiner Großmama. Die Manets hatten sie mit der Behauptung vertrieben, sie sei ein Bastard und nicht von ihrem Blut. Sie brachten sie mit nichts weiter als dem Gewand, das sie am Leib trug, und einem kleinen Sack Spielsachen zu den Rouses. Alles, was sie aus dem Herrenhaus mitnahm, war die Uhr an der Anstecknadel, die Abigail gehört hatte und ihr von Claudine mitgegeben wurde.«
    Declan legte rasch seine Hand auf die von Lena. »Gibt es diese Anstecknadel noch?«
    »Wir geben diese Dinge weiter, von Tochter zu Tochter. Meine Großmama hat sie mir an meinem sechzehnten Geburtstag überreicht. Wieso?«
    »Eine Emailleuhr, die an kleinen goldenen Flügeln hängt?«
    Rote Flecken überzogen ihre Wangen. »Woher weißt du das?«
    »Ich hab sie gesehen.« Ihm schoss die Kälte ins Rückgrat. »Sie lag auf dem Ankleidetisch in dem Schlafzimmer, das ihres gewesen sein muss. Ein leerer Raum«, ergänzte er, »mit Phantomeinrichtung. Der Raum, in dem Effie ein totes Mädchen auf dem Bett liegen sah. Man hat sie umgebracht, nicht wahr?«
    Die Art und Weise, wie er das sagte, so platt, so kalt, schlug ihr auf den Magen. »Die Leute gehen davon aus. Die Leute in meiner Familie.«
    »Im Kinderzimmer.«
    »Ich weiß nicht. Du bist mir ein wenig unheimlich, Declan.«
    »Dir?« Er strich sich mit der Hand übers Gesicht. »Nun, jetzt glaube ich, weiß ich, wer mein Geist ist. Arme Abigail, durchstreift das Herrenhaus und wartet darauf, dass Lucian nach Hause kommt.«
    »Aber wer hat sie umgebracht, wenn sie im Herrenhaus gestorben ist?«
    »Vielleicht soll ich gerade das herausfinden, damit sie... na ja, du weißt schon... Ruhe findet.«
    Jetzt sah er nicht mehr blass aus, fand Lena. Sein Gesicht war fest, war hart geworden. Der Inbegriff der Entschlossenheit. »Und warum ausgerechnet du?«
    »Warum

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