Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
wartet, ohne zu wissen worauf. Im Rückblick meint sie zu erkennen, dass sie mit diesem ängstlichen Innehalten die Dinge vorangetrieben hat.
17
Das Kronenstübchen lag in einer Seitenstraße, nur wenige hundert Meter von der Wohnung der Kollers entfernt.
Sie gingen nebeneinander. Linda hatte Mühe, mit Grubes großen Schritten mitzuhalten.
„Hey, renn nicht so.“ Linda griff nach seinem Arm.
„Ich bin wütend!“ Grube verlangsamte seinen Schritt.
„Der Fall ist ein für allemal versaut. Ein grauer Tag, ein grauer Fall.“
Im Kronenstübchen saßen vier Männer an der Theke. Der Wirt wirkte, als habe er schon vor Jahren das Rentenalter erreicht. Ein dicker, grauer Schnurbart, in der Mitte nikotingelb, drückte seine Mundwinkel nach unten. Im hinteren Teil des Raumes spielte eine dicke Frau mit rot gefärbten Haaren an einem Spielautomaten. Rädchen drehten sich, Zahlen blinkten auf und versprachen den großen Gewinn. Monotone Musik gaukelte vor, dass es was zu feiern gäbe.
Dafür hatte Grube sich nie begeistern können. Stumpfsinniges Knöpfchendrücken, das nichts von einem verlangte, nur das nächste Geldstück.
Die Frau drückte die blinkenden Buttons mit ganzem Körpereinsatz, so als könnte sie mit dieser Nachdrücklichkeit den Lauf der Rädchen beeinflussen.
Linda trat an die Theke und zeigte ihren Dienstausweis.
„Wir suchen Andreas Koller.“
Der Wirt nahm einen Schluck von seinem Bier. „Der ist nicht hier.“ Weißer Schaum verfing sich in seinem Schnurrbart.
„Wissen Sie, wo er sein könnte?“ Linda verzog das Gesicht und trat einen Schritt zurück. Die Theke klebte, die Biergläser standen umgestülpt auf einem schmutzigen Spültuch. Herpesoase!
Der alte Mann hielt sich am Zapfhahn fest und baute sich auf. „Keine Ahnung. Der muss sich hier ja nicht abmelden, oder?“
Grube stand immer noch an der Tür und sah der Frau zu.
Linda wendete sich an die vier Männer, die wie Vögel auf der Stange nebeneinander vor dem Tresen hockten und stumpf in ihre Biere starrten.
„Weiß einer von Ihnen, wo er sein könnte?“ Gleichzeitig schüttelten sie die Köpfe. Ein Kopfballett! Linda war augenblicklich auf Hundertachtzig. „Gut, dann brauche ich jetzt Ihre Ausweise, alle!“
Sofort kam Leben in die Reihe.
„Hören Sie, der wohnt da hinten. Direkt hinter der Videothek.“
„Da ist er aber nicht!“ Linda fixierte die Männer. „Koller ist hier Stammgast und, so wie es aussieht, ihr auch. Also, wo kann er sein?“ Schweigen.
„Gut! Die Ausweise auf die Theke und zwar ein bisschen plötzlich.“
Die Frau am Spielautomaten drehte sich um und schob die Hände in die Taschen der blauen Trainingsjacke aus Fliegerseide. Grube war erstaunt. Von hinten hatte er sie auf mindestens fünfzig geschätzt, aber das aufgedunsene Gesicht war jung. Vielleicht Mitte zwanzig.
Sie gab Grube ein Zeichen, indem sie mit den Kopf in Richtung Tür wies. Er nickte.
Linda notierte sich die Daten der Männer, dann verließen sie das Lokal.
Sie gingen die Straße bis zur Einmündung der Fußgängerzone zurück. Grube hielt Linda am Arm fest.
„Warte mal.“ Sie drehten sich um. Die junge Frau kam behäbig auf sie zu.
„Was is’n drin?“
Grube grinste. „An was hattest du denn gedacht?“
„Hundert Euro!“
Linda wandte sich ab und ging weiter. Grube hielt der Frau einen Zehner hin. Als sie danach greifen wollte, zog er ihn zurück.
„Hoppla! Erst mal hören, was du für mich hast.“
„Der Koller hat ’ne Halle. Also … die gehört ihm nicht, aber da wohnt der, wenn er Ärger mit seiner Alten hat. Hat er jedenfalls mal erzählt.“
„Hmm! Und wo ist diese Halle?“
„Weiß ich nicht so genau. Irgendwo in Kleve.“
Grube steckte den Geldschein in die Tasche.
„Nä! Das ist zu wenig.“
„Oh Mann!“ Sie stampfte mit dem Fuß auf.
„Warte! Er hat mal was über die Busse gesagt.“
„Über welche Busse?“
„Wir sind mal zusammen mit dem Bus gefahren und da hat er gesagt, die Dinger würden vor seiner Halle parken.“
Grube gab ihr den Zehner.
Sie lief eilig zurück ins Kronenstübchen. Zurück an den Automaten.
Linda wartete mit verschränkten Armen vor dem Schaufenster eines Bekleidungsgeschäftes. Grube winkte sie in Richtung Parkplatz.
Sie öffnete das Handschuhfach, nahm die Tempotaschentücher heraus und rieb ihre Hände ab.
„War das ein ekliger Laden. Was machen die beim Ordnungsamt eigentlich den ganzen Tag. So was gehört doch augenblicklich abgerissen!“ Sie
Weitere Kostenlose Bücher