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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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darauf, daß die Gläubigen ihn Pater Tom nannten. Er war nett - wenn auch nicht so nett oder klug oder amüsant wie Pater Castelli -, aber sie konnte ihn ebensowenig Pater Tom nennen wie den älteren Priester Pater Jim. Ebensogut hätte sie den Papst Johnny nennen können. Ihre Eltern unterhielten sich manchmal darüber, wie sehr sich die Kirche verändert hatte, wie sie im Laufe der Jahre immer weniger formell geworden war, und sie sprachen zustimmend von diesen Veränderungen. Chrissie wünschte sich in ihrem konservativen Herzen, sie wäre zu der Zeit geboren und erzogen worden, als die Messe in La tein gelesen wurde, elegant und geheimnisvoll, als das re gelrecht alberne Ritual, den Gläubigen rings um einen herum >Frieden zu geben< noch nicht zum Gottesdienst gehört hatte. Sie war einmal in einer Kathedrale in San Francisco zur Messe gegangen, als sie im Urlaub waren, und dieser Gottesdienst war speziell gewesen, in Latein, gemäß der alten Liturgie, und das hatte ihr gefallen. Immer schnellere Flugzeuge zu bauen, Fernseher von Schwarzweiß zu Farbe zu verbessern, Leben mit besserer medizinischer Versorgung zu retten, die alten, sperrigen Platten durch Compactdics zu ersetzen - diese Veränderungen waren alle wünschenswert und gut. Aber es gab Dinge im Leben, die man nicht verändern sollte, weil man an ihnen gerade ihre Unveränderlichkeit schätzte. Wenn man in einer Welt unabläs siger, rapider Veränderungen in allen Bereichen lebte, wohin sollte man sich dann wenden, wenn man Stabilität suchte, einen Ort der Ruhe und des Friedens inmitten von Lärm und Hektik? Diese Wahrheit war Chrissie so einsichtig, daß sie sich manchmal fragte, warum die Erwachsenen nicht darauf kämen. Manchmal waren die Erwachsenen Holzköpfe. Sie blieb nur ein paar Minuten in der Messe sitzen, gerade lange genug, daß sie ein Gebet sprechen und die Heilige Jungfrau bitten konnte, ihr beizustehen, und bis sie sich vergewissert hatte, daß Pater Castelli nicht irgendwo im Kirchenschiff war - wie ein gewöhnlicher Gläubiger auf einer Bank saß, was er manchmal tat - oder hinten in einem der Beichtstühle wartete. Dann stand sie auf, machte einen Knicks, bekreuzigte sich und ging in den Vorbau, wo kerzenförmige elektrische Glühbirnen schwach hinter den bernsteinfarbenen Glasscheiben von zwei an der Wand befestig ten Lampen leuchteten. Sie machte die Tür einen Spalt auf und sah auf die verregnete Straße hinaus.
    In diesem Augenblick kam ein Polizeiauto die Ocean Avenue herunter. Es war nicht dasselbe, das sie beim Betreten der Kirche gesehen hatte. Es war neuer, und es saß nur ein Beamter darin. Dieser fuhr langsam und suchte die Straße genau ab, als suchte er nach jemandem.
    Als der Streifenwagen die Kreuzung erreichte, wo Our Lady of Mercy war, fuhr ein anderes Auto an ihm vorbei, das vom Meer kam. Das war kein Streifenwagen, sondern ein blauer Chevy. Zwei Männer saßen darin, die sich alles ein gehend ansahen und nach links und rechts in den Regen spähten, wie es der Polizist machte. Obwohl die Männer im Chevy und der Polizist einander nicht winkten oder sonstwie Zeichen gaben, spürte Chrissie, daß sie alle nach demselben Ausschau hielten. Die Polizei hatte sich mit einem Zivilistenteam zusammengetan, um nach jemandem oder etwas zu suchen.
    Mir, dachte sie.
    Sie suchten nach ihr, weil sie zuviel wußte. Weil sie gestern morgen im oberen Flur die Außerirdischen in ihren Eltern gesehen hatte. Weil sie als einzige der Eroberung der menschlichen Rasse im Wege stand. Und vielleicht, weil sie ausgezeichnet schmecken würde, wenn sie sie mit ein paar marsianischen Kartoffeln kochten.
    Sie hatte zwar mittlerweile herausgefunden, daß die Außerirdischen ein paar Menschen übernommen hatten, aber sie hatte keine Beweise dafür, daß sie wirklich andere verspeisten; dennoch war sie fest davon überzeugt, daß sie sich gerade in diesem Augenblick einen Imbiß aus Leichenteilen bereitet hatten. Das schien einfach zutreffend zu sein.
    Als der Streifenwagen und der blaue Chevy vorbei waren, stieß sie die schwere Tür ein paar Zentimeter weiter auf und steckte den Kopf in den Regen hinaus. Sie sah noch einmal nach rechts und links, um sich wirklich zu vergewissern, daß niemand zu Fuß oder im Auto unterwegs war. Nachdem sie sich überzeugt hatte, ging sie hinaus und lief nach Osten zur Ecke der Kirche. Als sie an der Straßenkreuzung in beide Richtungen gesehen hatte, eilte sie an der Kirchenmauer entlang zur hinten gelegenen

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