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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sagte: »Also gut. Gehen wir.«
    Tessa und Chrissie folgten ihm aus dem Schlafzimmer. Sie gingen die Treppe zum Erdgeschoß hinunter.
    Moose nahm den Fahrstuhl.

3
    Shaddack war heute nacht ein Kind.
    Während er wiederholt durch Moonlight Cove fuhr, vom Meer zu den Hügeln, von der Holliwell Road im Norden bis zur Paddock Lane im Süden, konnte er sich nicht erinnern, jemals in besserer Stimmung gewesen zu sein. Er veränderte die Routen seiner Patrouille, damit er sicher sein konnte, daß er letztlich jeden Block jeder Straße der Stadt einmal abgefahren hatte; der Anblick jedes Hauses und jedes Einwohners, der zu Fuß im strömenden Regen unterwegs war, berührte ihn wie bislang noch niemals, denn schon bald würden sie alle ihm gehören, und er könnte ganz nach seinem Gutdünken mit ihnen verfahren.
    Aufregung und Vorfreude erfüllten ihn, wie er sie zuletzt während seiner Kindheit an Weihnachten verspürt hatte. Moonlight Cove war ein riesengroßes Spielzeug, und in ein paar Stunden, wenn es Mitternacht schlug, wenn diese dunkle Nacht in den nächsten Tag überging, konnte er mit diesem tollen Spielzeug soviel Spaß haben. Er würde Spiele machen, die er schon lange machen wollte, sich aber bisher stets verweigert hatte. Künftig würde er keinen Wunsch und kein Verlangen mehr unterdrücken, denn wie blutrünstig und ausgefallen die Spiele auch sein mochten, die er sich ausdachte, er würde keine Abweichler geben, und keine Be hörden, die ihn bestrafen könnten.
    Wie ein Kind, das zum Schrank schleicht und Münzen aus den Hosentaschen seines Vaters nimmt, um sich ein Eis zu kaufen, war auch er so vollkommen von den Gedanken an die Belohnungen gefesselt, die seiner harrten, daß er die Möglichkeit einer Katastrophe völlig vergessen hatte. Die Bedrohung durch die Regressiven verschwand mit jeder Minute aus seinem Gedächtnis. Er vergaß Loman Watkins nicht ganz, aber er konnte sich nicht mehr genau erinnern, warum er sich den ganzen Tag lang in Parkins' Garage vor dem Polizeichef versteckt hatte.
    Mehr als dreißig Jahre unbarmherziger Selbstbeherrschung, anstrengende und gnadenlose Ausbeutung seiner geistigen und körperlichen Kräfte, angefangen an dem Tag, als er Runningdeer und seine Eltern ermordet hatte, dreißig Jahre, in denen er seine Bedürfnisse und Begierden unterdrückt oder in seine Arbeit sublimiert hatte, hatten ihn endlich an den Rand der Vollendung seines Traums gebracht. Er konnte nicht zweifeln. Seine Mission anzuzweifeln oder sich über ihren Ausgang Sorgen zu machen, wäre Zweifeln an seinem heiligen Schicksal und einer Beleidigung der großen Geister gleichgekommen, die ihn auserwählt hatten. Er war nicht mehr imstande, auch nur noch die Kehrseite zu sehen; er verwarf jeden Gedanken an eine Katastrophe.
    Er spürte die großen Geister im Sturm.
    Er spürte, wie sie im Geheimen durch seine Stadt gingen. Sie waren hier, um dabeizusein und zu billigen, wie er
    den Thron des Schicksals bestieg.
    Seit dem Tag, als er seine Mutter, seinen Vater und den Indianer getötet hatte, hatte er keine Kaktusplätzchen mehr gegessen, aber er hatte im Lauf der Jahre lebhafte Flashbacks erlebt. Sie kamen unvorbereitet über ihn. Eben noch war er in dieser Welt, und im nächsten Augenblick an jenem anderen Ort, dieser unheimlichen Welt, die parallel zu unserer lag, wohin ihn die Kaktusplätzchen immer geführt hatten, eine Wirklichkeit, in der die Farben gleichzeitig lebhafter und gedämpfter waren, wo jeder Gegenstand mehr Winkel und Flächen als in der gewöhnlichen Welt zu haben schien, wo er seltsam schwerelos zu sein schien leicht wie ein mit Helium gefüllter Ballon - und wo die Stimmen der Geister zu ihm sprachen. Im Jahr nach den Morden waren diese Flashbacks häufig gewesen, etwa zweimal pro Woche, als er ein Teenager war, hatte zwar ihre Häufigkeit, nicht aber ihre Lebhaftigkeit, allmählich nachgelassen. Diese traumartigen, vorübergehenden Anfälle, die für gewöhnlich eine oder zwei Stunden dauerten, aber manchmal auch einen halben Tag lang anhalten konnten, waren teilweise für seinen Ruf bei Familie und Lehrern verantwortlich, daß er irgendwie ein geistesabwesendes Kind war. Selbstverständlich hatten alle Verständnis für ihn, weil sie sein geistesabwesendes Verhalten natürlich dem erschütternden Trauma zuschrieben, das er erlebt hatte.
    Während er jetzt mit seinem Lieferwagen herumfuhr, glitt er langsam in den Kaktusplätzchen-Zustand. Auch dieser Flashback war unerwartet,

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