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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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überfiel ihn aber nicht so plötzlich wie die anderen. Er... driftete irgendwie allmählich hinein, immer tiefer und tiefer. Und je länger es anhielt, desto überzeugter wurde er, daß er diesesmal nicht grob aus die sem Reich erweiterten Bewußtseins gerissen werden würde.
    Von nun an würde er ein Bewohner beider Welten sein, wie die großen Geister selbst, vom Wissen um die höheren und niedereren Ebenen des Daseins erfüllt. Er fing sogar an zu denken, daß er momentan einer eigenen seelischen Verwandlung unterlag, die tausendmal tiefgreifender war als die der Bewohner von Moonlight Cove.
    In diesem exaltierten Zustand war alles besonders und wundersam für Shaddack. Die funkelnden Lichter der verregneten Stadt schienen wie in der herabsinkenden Dunkelheit verteilte Juwelen zu sein. Die geschmolzene, silberne Schönheit des Regens selbst erstaunte ihn, wie auch der zu nehmend dunkler werdende, großartig turbulente, graue Himmel.
    Als er an der Kreuzung Paddock Lane und Saddleback Drive bremste, berührte er seine Brust und spürte dort das Telemetriegerät, das er an einer Kette um den Hals trug, aber einen Augenblick wußte er gar nicht, was es war, und auch das schien geheimnisvoll und wunderbar zu sein. Dann fiel ihm ein, daß das Gerät seinen Herzschlag aufzeichnete und sendete, der bei New Wave empfangen wurde. Es war auf eine Entfernung von fünf Meilen funktionstüchtig und funktionierte auch, wenn er irgendwo innerhalb eines Hauses war. Würde die Sendung seines Herzschlags länger als eine Minute unterbrochen, war Sonne darauf programmiert, über Mikrowelle einen Vernichtungsbefehl an sämtliche Mikrokugelcomputer in allen Neuen Menschen zu senden.
    Als er das Gerät ein paar Minuten später in der Bastenchurry Road wieder berührte, war ihm sein Zweck erneut klar. Er spürte, daß es ein mächtiger Gegenstand war; wer immer ihn besaß, hielt das Leben anderer in Händen, und das Kind in ihm, das Fantasiegespinsten nachhing, kam zur Überzeugung, daß es ein Amulett sein mußte, welches ihm die großen Geister geschenkt hatten, ein weiteres Zeichen dafür, daß er in zwei Welten stand, mit einem Fuß auf der gewöhnlichen Ebene gewöhnlicher Menschen und mit dem anderen Fuß in der höheren Ebene der großen Geister und Götter und Kaktusplätzchen.
    Sein langsamer, gleitender Flashback hatte ihn, wie von der Zeit freigesetzte Medizin, in den Zustand seiner Jugend zurückversetzt, in die sieben Jahre, in denen er unter dem Einfluß von Runningdeer gestanden hatte. Er war ein Kind.
    Und er war ein Halbgott. Er war das auserwählte Kind des Mondfalken, daher konnte er alles mit allen machen, was er wollte, mit allen, und während er fuhr, dachte er darüber nach, was genau er machen wollte... und mit wem.
    Hin und wieder lachte er leise und etwas schrill, und seine Augen funkelten wie die eines grausamen und gestörten Jungen, der die Auswirkungen von Feuer auf gefangene Ameisen studiert.

4
    Chrissie wartete mit Tessa und Sam in der Küche, bis noch mehr Licht aus dem sterbenden Tag blutete, während Moose um sie herumstrich und so heftig mit dem Schwanz wedelte, daß man Angst haben mußte, er würde abfallen.
    Schließlich sagte Sam: »Also gut. Bleibt dicht bei mir. Und macht die ganze Strecke über alles, was ich sage.«
    Er sah Chrissie und Tessa lange an, bevor er tatsächlich die Tür aufmachte; sie umarmten einander ohne ein Wort zu sagen. Tessa küßte Chrissie auf die Wange, dann küßte Sam sie, und sie küßte die beiden ebenfalls. Man mußte ihr nicht sagen, weshalb sich plötzlich alle so zärtlich fühlten. Sie waren Menschen, echte Menschen, und es war wichtig, daß sie ihre Gefühle ausdrückten, weil sie vor Ende der Nacht vielleicht keine echten Menschen mehr waren. Vielleicht würden sie nie wieder empfinden, was echte Menschen empfanden, daher waren ihre Empfindungen mit jedem Augenblick kostbarer.
    Wer wußte, was diese unheimlichen Gestaltveränderer empfanden? Wer wollte es wissen?
    Und wenn sie die Central nicht erreichten, dann wahrscheinlich, weil sie unterwegs von einem Suchtrupp oder einem der Schreckgespenster gestellt würden. In diesem Fall war dies vielleicht ihre letzte Chance, einander auf Wiedersehen zu sagen.
    Schließlich führte Sam sie auf die Veranda.
    Chrissie machte sorgfältig die Tür hinter ihnen zu. Moose versuchte nicht herauszukommen. Für so billige Tricks war er ein zu guter und edler Hund. Aber er steckte die Schnauze durch den schmaler werdenden

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