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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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selbstverständlich absurd. Wenn sich jemand die Mühe machte und auf den Dachboden käme, würde er ihn auch genauestens untersuchen und in jeder Ecke nachsehen. Aber ob diese Hoffnung absurd war oder nicht, Harry klammerte sich daran; er war gut darin, Hoffnung zu hegen, er konnte herzhafte Eintöpfe aus der dünnsten Brühe davon zubereiten, weil Hoffnung sein halbes Leben lang das einzige gewesen war, das ihm Halt gegeben hatte.
    Ihm war nicht unbehaglich zumute. Als Vorbereitung auf den unbeheizten Dachboden hatte er - damit es schneller ging - mit Sams Hilfe Wollsocken, wärmere Hosen als die, die er angehabt hatte, und zwei Pullover angezogen.
    Komisch, daß viele Menschen dachten, ein Gelähmter würde überhaupt nichts in seinen gebrauchsunfähigen Extremitäten spüren. In manchen Fällen stimmte das: alle Nerven waren abgetrennt, kein Gefühl mehr vorhanden. Aber es gab Myriaden verschiedene Wirbelsäulenverletzungen; abgesehen von einem völligen Bruch variierte der Rest Ge fühl, der dem Opfer blieb, sehr stark.
    In Harrys Fall war es so, daß er zwar einen Arm und ein Bein gar nicht mehr, das andere Bein kaum noch bewegen konnte, aber er konnte immer noch Hitze und Kälte spüren. Wenn ihn etwas zwickte, bemerkte er zwar keine Schmerzen, aber doch einen dumpfen Druck.
    Körperlich spürte er wesentlich weniger als ein gesunder Mann, daran konnte überhaupt kein Zweifel bestehen. Aber nicht alle Empfindungen waren körperlicher Natur. Er war sicher, daß ihm die wenigsten Menschen glauben würden, aber seine Behinderung hatte sein seelisches Leben tatsächlich bereichert. Obwohl er notwendigerweise zu einer Art Einsiedler geworden war, hatte er gelernt, den Mangel an menschlichem Kontakt auszugleichen. Bücher hatten ihm geholfen. Bücher öffneten die Tür zu Welten. Und das Tele skop. Aber weitgehend sein unbändiger Wille, ein Leben zu führen, das so erfüllt wie möglich war, hatten ihn in Herz und Verstand gesund bleiben lassen.
    Wenn dies seine letzten Stunden waren, würde er die Kerze ohne Verbitterung ausblasen, wenn die Zeit gekommen war, sie zu löschen. Er bedauerte, was er verloren hatte, aber wichtiger war, er schätzte, was ihm geblieben war. In letzter Analyse war er der Überzeugung, er hatte ein Leben gelebt, das im Großen und Ganzen gut, lohnend und kostbar gewe sen war.
    Er hatte zwei Waffen bei sich. Einen 45er Revolver. Eine 38er Pistole. Wenn sie zu ihm auf den Speicher kämen, würde er mit der Pistole auf sie schießen, bis sie leer wäre. Dann würde er ihnen alle Patronen des Revolvers zu kosten geben, bis auf eine. Die letzte Patrone würde er für sich selbst aufheben.
    Er hatte keine zusätzlichen Patronen mitgebracht. In einer Krisensituation konnte ein Mann mit nur einer guten Hand nicht schnell genug laden, ohne daß die Anstrengung zu einem komischen Finale geriet.
    Das Trommeln des Regens auf dem Dach hatte nachgelas sen. Er fragte sich, ob das wieder nur eine Atempause in dem Sturm war, oder ob er zu Ende ging.
    Es wäre schön, die Sonne noch einmal zu sehen.
    Er machte sich mehr Sorgen um Moose als um sich selbst. Der arme Hund war ganz alleine da unten. Er hoffte, die Schreckgespenster würden dem guten alten Moose nichts tun, wenn sie schließlich kamen. Und wenn sie auf den Dachboden kämen und ihn zwängen, Selbstmord zu begehen, dann hoffte er, Moose würde nicht lange ohne ein gutes Zuhause sein.

8
    Für den umherfahrenden Loman schien Moonlight Cove tot zu sein und zugleich von Leben zu wimmeln.
    Richtete man sich nach den üblichen Anzeichen von Le ben in einer Kleinstadt, war diese eine leere Hülle und ebenso verlassen und von der Sonne ausgetrocknet wie jede Geisterstadt in der Mohave. Die Geschäfte, Bars und Restaurants hatten geschlossen. Sogar das sonst überfüllte Perez Family-Restaurant war dunkel; niemand war gekommen, um es zu öffnen. Die einzigen Fußgänger, die nach dem Regen unterwegs waren, waren Patrouillen oder Verwandlungsteams. Und auch die Polizeipatrouillen und die Zwei-Mann-Teams, die in privaten Autos unterwegs waren, hatten die Straßen für sich allein.
    Aber es wimmelte in der Stadt von perversem Leben. Er sah mehrmals seltsame, hastige Gestalten, die sich durch Nacht und Nebel bewegten, das immer noch verstohlen taten, aber schon ungleich kühner als in den vorangegangenen Nächten. Wenn er anhielt oder langsamer fuhr, um diese Marodeure zu studieren, hielten manche auch in den tiefen Schatten inne und sahen ihn mit

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