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Mitternachtserwachen

Mitternachtserwachen

Titel: Mitternachtserwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Mignani
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als Institution zugetan gewesen. Sobald sie daran dachte, wie viele arme unschuldige Frauen zu Tode gefoltert worden waren oder den Feuertod gefunden hatten, nur weil sie den Kirchenmännern im Wege standen, wurde ihr schlecht. Wenn es einen Gott gab, würde er seine Kreationen alle lieben und nicht eine dazu benutzen, Religionen zu erfinden, die es zum Ziel hatten, die weibliche Hälfte zu unterdrücken und auszubeuten.
    Sie träumte oft, dass sie lebendig verbrannt wurde. Allerdings hatte sie auch davon geträumt, dass sie ein Date mit George Clooney hatte, der allerlei unanständige Dinge mit ihr getrieben hatte.
    Aileen erlaubte sich ein leichtes Lächeln, als sie an den Sextraum dachte. Sie war im Schlaf gekommen, war aufgewacht und hatte sich gestreichelt, bis sie einen erneuten Orgasmus erreicht hatte. Aber wirklich erfüllend war es nicht gewesen.
    Ihr fiel ein, dass es auf der östlichen Seite noch die Ruinen der alten Kirche gab. Die Steine waren alt genug, dass sie bestimmt allerlei Eigenartiges erlebt hatten. Sie hatte den Ort schon immer als magisch empfunden. Auf dem Weg dorthin kamen sie an den alten verwitterten Grabsteinen vorbei. Ihr stellten sich die Nackenhaare auf, und Togo blieb wie festgewurzelt stehen. Ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle, und er zog die Lefzen hoch, was ihm sein welpenhaftes Aussehen raubte. Er sah auf einmal gefährlich und bedrohlich aus. Das reichte! Von unheimlichen Ereignissen hatte sie für heute genug. Aileen drehte sich entschlossen in die andere Richtung und rannte beinahe zu dem Laden, begleitet von Togo, der fröhlich neben ihr hertrabte und gar keine Ähnlichkeit mehr mit Cujo aufwies. Ein paar der Passanten lächelten ihr und dem Hund zu. Es war schwer, dem Charme des Vierbeiners zu widerstehen, der oft über seine Pfoten stolperte und die Angewohnheit hatte, ständig seine Augenbrauen hochzuziehen. Abrupt blieb sie stehen und drehte sich um, weil sie sich einbildete, dass jemand sie verfolgte. Das war absurd.
    Aileen erledigte die Einkäufe und sah Togo drohend an. „Wenn du dich erneut an der Klobürste vergreifst, ziehe ich dir die Bratpfanne über dein pelziges Haupt.“
    Er schenkte ihr ein Hundegrinsen, wusste er doch genau, dass sie ihn niemals mit etwas Härterem schlagen würde als mit einer zusammengerollten Zeitschrift, die er kaum durch das dicke Fell spürte.
    Sie verstaute die Besorgungen im Lada und ließ Togo am Strand frei. Er sprang sofort in die eiskalte Nordsee und rannte anschließend bellend an der Uferlinie entlang. Er liebte Wasser und jagte den Wellen hinterher. Der Wind sowie der Geruch nach Salz und Meer verfehlten nicht ihre befreiende Wirkung. Dennoch beschlich sie erneut dieses unbehagliche Gefühl, angestarrt zu werden. In der Ferne sah sie lediglich eine Familie, die am Strand spazieren ging und einen einsamen Jogger. Eigenartigerweise wirkte es, als beobachtete sie jemand vom Wasser aus. Doch kein Boot war zu sehen.
    Es musste eine logische Erklärung für ihr Erlebnis geben. Wahrscheinlich war sie bewusstlos geworden und hatte halluziniert, weil es ihr zugesetzt hatte, das Mordzimmer zu betreten. Sie war gerade dabei, aus dem tiefen Loch der Trauer zu klettern, und hatte sich einfach zu viel zugemutet. Aileen wurde in diesem Moment bewusst, dass sie sich sehr einsam fühlte, die starken Arme eines Mannes nicht nur vermisste, sondern dringend brauchte.
    Den Anflug von schlechtem Gewissen verbannte sie. Sie konnte nicht für den Rest ihres Daseins Ralph hinterhertrauern und niemanden an sich heranlassen. Sie sollte vielmehr das Gefühl begrüßen, denn es war ein Indiz, dass sie bereit war, ins Leben zurückzukehren.
    Togo rannte auf sie zu und bellte sie erwartungsvoll an. Was würde sie nur ohne ihre Tiere tun? Sie zog den Wurfball aus der Tasche, warf ihn, bis sie beide erschöpft zum Lieferwagen zurückkehrten.
    Shit! Sie hatte vollkommen die Zeit vergessen. Die Dämmerung brach ein. Aileen hasste es, im Dunklen zu fahren, und die Kinghorn Road war oft verlassen. Jedes Mal hatte sie Angst, das altersschwache Gefährt würde ausgerechnet auf dieser Strecke seinen letzten Motorzug nehmen. Selbst im Zeitalter der Mobiltelefone konnte sie sich etwas Angenehmeres vorstellen, als mutterseelenallein auf der verwaisten Straße zu stehen, um auf Hilfe zu warten, gefangen in einem Funkloch.
    Sie sicherte Togo mit dem Gurt und startete fröstelnd den Motor. Im Cottage würde sie sich ein heißes Bad gönnen und danach die Pizza

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