Mitternachtserwachen
Härchen auf ihrem Nacken und den Unterarmen zu Berge. Das Böse lauerte in ihrem Cottage, und die Haustür ließ sich nicht mehr öffnen.
Aileen musste sich ihm hier und jetzt stellen. Falls es sie tötete, könnte sie sich nichts mehr vorwerfen. Wie sehr wünschte sie sich den Dolch des Mitternachtserwachens zurück, den Babylonus ihr gegeben hatte. Dann würde es eben ein Küchenmesser sein! Kalte Finger schienen an ihren Nervenenden zu zerren, sobald sie den ersten Schritt in ihren Flur setzte. Der ehemals makellose, glänzende Fliesenboden war matt und zerkratzt. Ihr Mut verließ sie, doch sie weigerte sich, dem Drang nachzugeben, das Weite zu suchen, so schnell sie ihre kurzen Beine trugen.
Das war ihr Zuhause! Und solange es ihr die Bank nicht wegnahm, würde sie bis zum Letzten daran festhalten.
Bewaffne dich!
Zuerst bemerkte sie den Geruch, als hätte sie zehn Kilogramm blutige Steaks vor sich, dann sah sie die grässlichen Handabdrücke auf dem Türrahmen zur Küche, erfasste die abgetrennte Hand, die auf dem Boden lag. Kein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, obwohl sie es wollte, schreien bis ihre Stimme nachgab. Doch alles, was ihr über die Lippen kroch, war ein Röcheln. Es waren zwei Mädchen, und sie lagen überall in ihrer Küche. In der Brust der einen steckte der Dolch des Mitternachtserwachens. Rote Knochen stapelten sich säuberlich aufgereiht auf der Arbeitsfläche vor dem Fenster.
Dark Vader fauchte, und Togo stieß ein Geräusch aus, das so drohend war, dass sie beinahe Angst vor ihm hatte.
„Marbhadair, das bringt dir den Tod ein. Nehmt sie fest!“, sagte eine weibliche Stimme hinter ihr, kalt wie die Nordsee im Dezember.
Aileen wirbelte herum. Eine makellose blonde Frau, Anfang vierzig, stand hinter ihr, gekleidet in reinem Weiß. Sie war so sauber und ordentlich, dass Aileen augenblicklich das Bedürfnis verspürte, wenigstens ihre Haare aus der Haarspange zu befreien. Mrs Proper starrte sie mit purem Hass an, der so stark war, dass Aileen einen Schritt zurückwich. Begleitet wurde sie von sechs Männern in schwarzen Uniformen, die sie an die Mitglieder eines SWAT-Teams erinnerten. Mit bewegungslosen Mienen fixierten sie Aileen. Sie richteten Waffen auf sie, die wie Scanner aussahen. Einer von ihnen trat näher und wollte Aileen packen, da sprangen Togo und Dark Vader nach vorn, schirmten sie mit ihren Körpern ab.
Aus zwei der vermeintlichen Scanner lösten sich blaue Blitze und trafen die Tiere. Jetzt wusste sie, was die Schweine in den Händen hielten. Es waren Teaser, jedoch keine, die man in einem Geschäft zur Selbstverteidigung kaufen konnte.
Die Schreie gellten in ihren Ohren, bis Togo und Dark Vader zuckend auf den Boden fielen und dann wie tot liegen blieben.
Das Mal auf ihrer Stirn erwachte zum Leben, so flammend, wie sie es bisher nicht kannte. Das Arschloch, das Togo getroffen hatte, erbleichte, schon trat sie ihm gegen den Kehlkopf und rammte dem daneben stehenden ihren Ellenbogen in die Visage, ohne dass sie auch nur eine Sekunde darüber nachdachte.
Ein Teaser traf sie unterhalb ihres rechten Schlüsselbeins, aber Morvens Schutz hielt das Meiste davon ab. Sie fühlte lediglich ein leichtes Zerren an ihren Muskeln. Sie würde die Schlange umbringen. Doch ehe sie nur einen Finger rühren konnte, trafen vier Teaser sie gleichzeitig auf dem Oberkörper. Der Schmerz explodierte in ihren Nervenzellen. Aileen fiel rückwärts, direkt in eine der Blutlachen, und noch als die eigenen Schreie in ihren Ohren gellten, packte Schwärze sie.
Sie verblieb unsichtbar für alle Anwesenden. Selbst Norgana konnte sie weder sehen noch spüren. Wie sehr wünschte sie sich, sie hätte Aileen davor bewahren können, aber sie hatte sie in ihr Cottage getrieben, damit das vorherbestimmte Schicksal seinen Lauf nahm. Die Tuatha de Danann mussten Aileen bekommen, doch das machte es nicht einfacher. Ihr rannen Tränen die Wangen herunter, als sie den Schmerz miterlebte, den Aileen ertragen musste, die Verzweiflung, die schreckliche Angst.
Vielleicht war der Preis zu hoch. Entschlossen reckte sie das Kinn vor, weil sie wusste, wenn die Schicksalslinien anders verliefen, wären die Konsequenzen untragbar, nicht nur tödlich für Aileen und Lior. Auch Morvens Kind wäre für immer verloren. Das Grauen, das sich bereits ausgebreitet hatte, wäre unaufhaltbar und würde die Erde nach und nach verschlingen, bis nichts mehr übrig bliebe, was sich zu schützen lohnte.
Sie driftete davon,
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