Mitternachtsfalke - Auf Den Schwingen Der Liebe
unverheiratete Männer hin unter die Lupe genommen und schließlich Einladungen verschickt worden.
Doch weder der Richter noch Olivia hatten wissen können, dass es jeder Mann im Raum bei Julia von Anfang an schwer haben würde. Denn keiner konnte sich mit Drew Warring messen. Die Herren konnten so freundlich sein, wie sie wollten, dann vermisste Julia das Kribbeln auf ihrer Haut, welche Drews Unverfrorenheit in der Höhle bei ihr ausgelöst hatte. Oder aber der Herr war etwas ruppig, distanziert, dann fehlte ihr die Hitze, welche Drews Nähe in ihr entfacht hatte. Oder die Augen ihres Gegenübers waren langweilig, ohne dieses grüne Lodern, welches seinen Blick so unvergleichlich machte. Manche waren auch einfach zu groß, zu klein oder zu alt. Wie auch immer sie es drehte, zu einer Ehe mit einem dieser Männer würde sie sich nicht durchringen können.
Insgeheim wünschte sie, einer der hier anwesenden Herren könnte ihr Herz für sich gewinnen. Dann könnte sie endlich vergessen, dass sie Drew verloren hatte. Vielleicht würden dann auch die Qualen irgendwann nachlassen. Sie würde aufhören, jede Nacht von seinen Küssen zu träumen, oder von dem Moment, in dem er ihr sein Herz zu Füßen gelegt hatte.
Ein Seufzen entfuhr ihrer Kehle. Es war zum wahnsinnig werden. Sie schaffte es noch nicht einmal in einem Ballsaal voller Junggesellen, ihn zu vergessen. Wie oft hatte sie schon gedacht, ihn irgendwo zu sehen, seine Stimme zu hören oder seinen Duft wahrzunehmen, nur um dann im nächsten Moment zu erkennen, dass ihre Fantasie ihr einen Streich gespielt hatte.
Gedankenverloren bahnte sich Julia ihren Weg in Richtung der geöffneten Terrassentüren. Sie hoffte, ihr würde niemand folgen, damit sie nur für einen kurzen Moment ihre Gedanken ordnen konnte. Verstohlen spähte sie über die tanzenden Paare, die lachenden Grüppchen und die Musiker, welche die Gäste unterhielten. Unweit von ihr stand ihre Tante am Arm des Richters. Die beiden schienen sehr verliebt und Olivia strahlte über das ganze Gesicht. Julia konnte es noch immer nicht glauben, dass die Jagd nach dem Mitternachtsfalken dazu geführt hatte, dass ihre Tante das große Glück gefunden hatte. Und als Nathan sich schließlich nach Wochen von seiner Herzschwäche erholt hatte, war der Richter zu ihm gegangen und hatte bei ihm, als Olivias nächstem männlichen Verwandten, um ihre Hand angehalten. Seither war in Stonehaven wieder das Glück zu Hause.
Das ganze Haus hatte sich verändert. Es wurde viel gelacht, man sah Robby immer wieder fröhlich durch die Gänge huschen und die Zeit mit Gregory Gisbourne schien in weite Ferne gerückt.
Olivia lachte über eine Bemerkung des Richters und legte ihm vertraut die Hand auf den Arm.
Schmunzelnd schüttelte Julia den Kopf. Sie freute sich für ihre Tante.
Kaum hatte sie die Terrassentür erreicht, klarte die frische Luft ihre Gedanken auf und sie fühlte sich besser. Sie wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und fächelte sich die kühle Luft in den Ausschnitt ihres taubenblauen Kleides. Ihrer Meinung nach war der Ausschnitt viel zu tief, aber die Schneiderin hatte darauf bestanden, dieser Schnitt entspräche der aktuellen Mode und sei im Gegenteil sogar noch züchtig. Als Julia wieder aufblickte, bemerkte sie, dass sie nicht allein war. Ein dunkler Schatten stand außerhalb des Lichtkreises. Ihr stockte der Atem.
„Drew?“, flüsterte sie ungläubig.
„Ach hier steckst du! Kindchen, was tust du denn hier? Ich muss dir unbedingt jemanden vorstellen, …“, rief Elizabeth Bellham hinter ihr.
Schon wurde sie an der Hand gepackt und zurück in den Saal gezogen. Die Freundin ihrer Mutter war schon seit einigen Tagen Gast in Stonehaven. Sie war zusammen mit dem Richter angereist und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den passenden Ehemann für Julia zu finden.
„… du kannst dich doch nicht einfach so vor den Herren verstecken. Komm mit, hier drüben ist ein guter Freund …“, plapperte Elizabeth weiter, während sie Julia einfach weiterzog.
Diese verrenkte sich fast den Hals, als sie versuchte über ihre Schulter hinweg einen letzten Blick auf das Trugbild zu erhaschen. Der Schatten wandte sich ins Licht und seine grünen Augen folgten ihr.
Julias Knie wurden weich und ihr Herz raste wie wild in ihrer Brust. Sie versuchte Lady Bellhams Arm abzuschütteln, als sich ein Mann in ihr Blickfeld drängte.
„Mylady,“, verneigte er sich, „es ist mir eine Ehre.“
Julia stellte sich auf die
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