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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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erschrecken.«
    »Harald!«
    Er küsste seine Mutter auf die Wange und drückte sie an sich. »Ist Vater zu Hause?«
    »Er ist in der Kirche. Gestern Abend war keine Zeit mehr zum Aufräumen, deshalb ist er jetzt hinübergegangen und stellt die Stühle wieder ordentlich auf.«
    »Was war denn gestern Abend los?« Am Montagabend war normalerweise kein Gottesdienst.
    »Die Diakone sind zusammengetreten, um deinen Fall zu erörtern. Du wirst nächsten Sonntag öffentlich getadelt werden.«
    »Die Rache der Flemmings.« Harald kam es seltsam vor, dass er solche Dinge einmal für wichtig gehalten hatte.
    Inzwischen waren die Wachen auf dem Stützpunkt bestimmt alarmiert und suchten nach der Ursache für die Aufregung der Hunde. Wenn sie gründlich waren, suchten sie möglicherweise auch die Umgebung ab und durchkämmten Häuser, Hütten und Scheunen nach einem Verdächtigen auf der Flucht. »Mutter«, sagte Harald, »wenn Soldaten kommen, sag ihnen bitte, dass ich die ganze Nacht im Bett gelegen habe.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte sie angstvoll.
    »Das erklär ich dir später.« Es wirkt glaubwürdiger, wenn ich im Bett liege, dachte er. »Sag ihnen, ich schlafe noch, ja?«
    »Schon gut.«
    Er verließ die Küche und ging hinauf in sein Zimmer. Er hängte den Schulranzen über die Stuhllehne, nahm die Kamera heraus und legte sie in eine Schublade. Er erwog, sie zu verstecken, doch dazu fehlte die Zeit, und außerdem war eine versteckte Kamera schon ein halber Schuldbeweis. Rasch schlüpfte er aus seinen Kleidern, streifte den Schlafanzug über und legte sich ins Bett.
    Unten in der Küche hörte er die Stimme seines Vaters. Sofort war er wieder auf den Beinen und schlich zur Treppe, um zu lauschen.
    »Was treibt er hier?«, sagte der Pastor.
    »Er versteckt sich vor den Soldaten«, erwiderte Haralds Mutter.
    »Um Himmels willen, was hat denn der Junge jetzt schon wieder angestellt?«
    »Ich weiß es nicht, aber.«
    Ein lautes Klopfen ließ seine Mutter verstummen. Dann sagte eine Jungmännerstimme auf Deutsch: »Guten Morgen. Wir suchen jemanden. Haben Sie in den letzten Stunden hier irgendwo einen Fremden gesehen?«
    »Nein, niemanden.« Die Nervosität in der Stimme seiner Mutter war unüberhörbar; sie musste dem Soldaten aufgefallen sein. Aber vielleicht war das für ihn nichts Besonderes, weil alle Menschen in solchen Situationen Angst vor ihm hatten.
    »Und Sie, mein Herr?«
    »Nein«, sagte Haralds Vater mit fester Stimme.
    »Hält sich sonst noch jemand in diesem Gebäude auf?«
    »Mein Sohn«, sagte Haralds Mutter. »Er schläft noch.«
    »Ich muss das Haus durchsuchen.« Es war eine in höflichem Ton geäußerte Feststellung, keine Bitte um Erlaubnis.
    »Ich führe Sie herum«, sagte der Pastor.
    Harald schlich sich mit pochendem Herzen ins Bett zurück. Er hörte Stiefelschritte auf den Fliesen im Erdgeschoss und Türen, die geöffnet und geschlossen wurden. Dann polterten die Stiefel die Holztreppe herauf, gingen ins Elternschlafzimmer, dann in Arnes Zimmer und näherten sich schließlich Haralds eigenem Raum. Er hörte, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde, schloss die Augen, achtete darauf, ruhig und gleichmäßig zu atmen, und gab vor zu schlafen.
    Die deutsche Stimme fragte leise: »Ihr Sohn?«
    »Ja.«
    Pause.
    »Ist er die ganze Nacht hier gewesen?«
    Harald hielt unwillkürlich den Atem an. Er hatte seinen Vater noch niemals lügen hören. Nicht einmal an eine Notlüge konnte er sich erinnern.
    Da sagte der Pastor; »Ja, die ganze Nacht.«
    Harald konnte es kaum fassen. Sein Vater hatte für ihn gelogen! Der hartherzige, halsstarrige, selbstgerechte alte Tyrann hatte gegen seine eigenen Gebote verstoßen. Also war er doch noch ein Mensch. Harald brannten die Tränen hinter den geschlossenen Lidern.
    Die Stiefel knallten wieder den Flur und die Treppe hinunter, und Harald hörte, wie der Soldat sich verabschiedete. Er stieg aus dem Bett und ging zum Treppenabsatz.
    »Du kannst jetzt runterkommen«, sagte sein Vater. »Er ist weg.«
    Er ging die Treppe hinunter. Sein Vater blickte ihn ernst an.
    »Vielen Dank für deine Hilfe, Vater«, sagte Harald.
    »Ich habe gesündigt«, erklärte der Pastor. Einen Augenblick lang befürchtete Harald einen neuen Zornesausbruch. Doch dann wurde das alte Gesicht weicher. »Allerdings glaube ich an einen Gott, der alles verzeiht.«
    Harald wurde klar, dass der innere Konflikt seinem Vater sehr zugesetzt haben musste, wusste aber nicht, wie er ihm sagen

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