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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dünnem Metall, das sich anfühlte wie Blech, vermutlich aber Aluminium war. Er musterte den Motor.
    »Es ist ein Reihen-Vierzylinder«, erklärte Karen.
    »Richtig, aber er scheint auf dem Kopf zu stehen.«
    »Ja, verglichen mit einem Automotor sieht das so aus. Die Kurbelwelle liegt oben, damit man den Propeller höher anbringen konnte. Der braucht doch einen entsprechenden Abstand vom Boden.«
    Karens Fachkenntnisse überraschten Harald. Ein Mädchen, das wusste, was eine Kurbelwelle war, hatte er bisher noch nicht gekannt. »Was war denn dieser Tom für einer?«, fragte er, krampfhaft darum bemüht, seinen Verdacht nicht durchklingen zu lassen.
    »Ein großartiger Lehrer. Er hatte viel Geduld und hat mir immer wieder Mut gemacht.«
    »Hast du was mit ihm gehabt?«
    »Ich bitte dich! Ich war vierzehn!«
    »Ich wette, du warst in ihn verknallt.«
    Karen war eingeschnappt. »Du denkst wohl, wenn sich ein Mädchen für Maschinen interessiert, dann nur aus einem solchen Grund.«
    Genau, dachte Harald, aber er sagte: »Nein, nein! Mir ist bloß aufgefallen, dass du mit großer Sympathie von ihm sprichst. Geht mich ja auch nichts an. Der Motor ist luftgekühlt, sehe ich.« Es gab keinen Kühler, aber die Zylinder waren mit Kühlrippen ausgestattet.
    »Ich glaube, das gilt für alle Flugzeugmotoren, weil das Gewicht spart.«
    Harald ging auf die andere Seite und öffnete dort die Motorhaube. Die Kraftstoff- und Ölschläuche schienen alle fest montiert zu sein und zeigten von außen keine Mängel. Harald schraubte die Ölkappe ab und zog den Ölmessstab heraus. Es war noch etwas Öl im Tank. »Sieht gut aus«, sagte er. »Probieren wir mal, ob er anspringt.«
    »Das geht zu zweit leichter. Du kannst dich reinsetzen, und ich drehe den Propeller.«
    »Wird nach so vielen Jahren nicht die Batterie leer sein?«
    »Es gibt keine Batterie. Der Strom kommt aus zwei Magnetzündern, die vom Motor angetrieben werden. Komm, wir steigen ein, und ich zeig dir, was du machen musst.«
    Karen öffnete die Tür, kreischte unversehens auf und ließ sich zurückfallen – direkt in Haralds Arme. Zum ersten Mal berührte er ihren Körper, und es durchfuhr ihn wie ein Stromschlag. Karen schien kaum zu bemerken, dass sie sich in den Armen hielten, und Harald hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil er die Zufallsumarmung so sehr genoss. Hastig richtete er Karen auf und löste sich von ihr. »Geht‘s wieder?«, fragte er. »Was war denn los?«
    »Mäuse!«
    Er machte die Tür wieder auf. Zwei Mäuse hopsten durch den Spalt und flitzten an seinen Hosenbeinen hinunter auf den Boden. Karen machte »Bäh!« und wandte sich angeekelt ab.
    Ein Sitzpolster war durchlöchert. Wie es aussah, hatten sich die Mäuse in der Füllung ein Nest gebaut. »Das kriegen wir gleich in den Griff«, sagte Harald, spitzte die Lippen und gab ein kussähnliches Geräusch von sich. Sofort tauchte Pinetop auf und hoffte, etwas zu fressen zu bekommen. Harald nahm den Kater hoch und steckte ihn
    in die Kabine.
    Aus dem trägen Tier wurde urplötzlich ein Energiebündel. Es sprang von einer Seite des kleinen Cockpits zur anderen, und Harald glaubte, einen Mäuseschwanz in einem Loch unter dem linken Sitz verschwinden sehen, durch das eine Kupferleitung verlief. Pinetop sprang auf den Sitz, dann auf die Gepäckablage dahinter, erwischte aber keine Maus. Dann untersuchte er die Löcher in der Polsterung, fand dort ein Mäusebaby und begann es mit großer Delikatesse zu verspeisen.
    Auf der Gepäckablage standen zwei kleine Bücher. Harald nahm sie an sich und stellte fest, dass es Handbücher waren, eines für die Hornet Moth und eines für den Gipsy-Major-Motor, der sie antrieb. Begeistert zeigte er sie Karen.
    »Aber was ist mit den Mäusen?«, fragte sie. »Ich hasse Mäuse!«
    »Pinetop hat sie verjagt. In Zukunft lass ich die Türen offen, dann kann er jederzeit rein und raus. Das wird uns die Mäuse fern halten.« Harald schlug das Handbuch für die Hornet Moth auf.
    »Was macht er jetzt?«
    »Pinetop? Naja, der frisst die kleinen Mäuschen. Schau dir bloß mal diese Diagramme an, ist das nicht toll?«
    »Harald!«, kreischte Karen. »Das ist ekelhaft! Du musst ihn davon abhalten!«
    Harald war verblüfft. »Wieso denn?«
    »Das ist einfach widerlich!«
    »Es ist bloß natürlich.«
    »Trotzdem ist es widerlich.«
    »Was sollen wir denn sonst tun?«, gab Harald ungeduldig zurück. »Wir können dieses Nest doch nicht mit nach England nehmen! Ich kann die

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