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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Harald.
    »Nein«, sagte sie, »jetzt bin ich an der Reihe.«
    Anscheinend will sie beweisen, dass sie sich für die Drecksarbeit nicht zu schade ist, dachte Harald, vor allem nach der Geschichte mit den Mäusen. Er trat einen Schritt zurück und sah ihr zu.
    Karen steckte das freie Schlauchende in den Mund und fing an zu saugen. Als ihr das Benzin in den Mund lief, hielt sie den Schlauch schnell über den Eimer und verzog spuckend das Gesicht. Sie verdrehte die Augen und schob die Lippen vor – doch wunderbarerweise tat der groteske Gesichtsausdruck ihrer Schönheit keinen Abbruch. Dann bemerkte sie Haralds Blick und fragte: »Was glotzt du denn so an?«
    Harald lachte und sagte: »Dich natürlich – du siehst so hübsch aus, wenn du spuckst.« Er erkannte sofort, dass er mehr von seinen Gefühlen verraten hatte, als er beabsichtigte, und rechnete mit einer Zurechtweisung. Aber Karen lachte nur.
    Gewiss, er hatte gesagt, dass er sie hübsch fand, und das war ihr sicher nicht neu. Aber er hatte es voller Zuneigung gesagt, und für solche Untertöne hatten Mädchen ein hervorragendes Gehör, vor allem dann, wenn man sich wünschte, sie hätten nichts bemerkt. Ihren Ärger hatte Karen ihm nicht vorenthalten: Ein empörter Blick oder ein ungeduldiges Zurückwerfen des Kopfes hätten für klare Verhältnisse gesorgt. Aber es war genau das Gegenteil geschehen: Sie hatte erfreut gewirkt. Das sieht ja fast so aus, als würde sie sich freuen, dass ich sie mag, dachte Harald.
    Ihm war, als habe er eine Brücke überschritten.
    Der Eimer füllte sich, und dann rann kein Tropfen mehr aus dem Gartenschlauch. Sie hatten den Tank des Rolls-Royce geleert. Das sind höchstens zehn Liter im Eimer, schätzte Harald. Für einen Motortest reichte es leicht, doch woher sie genug Treibstoff bekommen sollten, um über die Nordsee zu fliegen, war ihm vollkommen schleierhaft.
    Er nahm den Eimer auf, trug ihn zur Hornet Moth hinüber, klappte das Zugangsblech über dem Einfüllstutzen auf und schraubte den Tankdeckel ab. Karen hielt den Trichter, und Harald ließ das Benzin hineinlaufen.
    »Ich weiß nicht, wo wir mehr Sprit auftreiben können«, sagte Karen. »Kaufen können wir garantiert keinen.«
    »Wie viel brauchen wir denn?«
    »In den Tank passen ungefähr hundertsechzig Liter – oder fünfunddreißig Gallonen nach dem Handbuch des Herstellers. Aber das ist nicht das einzige Problem. Die Hornet Moth hat eine Reichweite von knapp tausend Kilometern – aber nur unter idealen Bedingungen.«
    »Das entspricht ungefähr der Strecke nach England.«
    »Richtig. Aber wenn die Bedingungen nicht ideal sind – wenn wir beispielsweise Gegenwind haben, was nicht gerade unwahrscheinlich ist.«
    »Dann landen wir im Meer.«
    »Genau.«
    »Immer schön eins nach dem anderen«, sagte Harald. »Bis jetzt haben wir das Ding ja noch nicht mal zum Laufen gebracht.«
    Karen wusste, was zu tun war. »Ich pumpe Benzin in den Vergaser«, sagte sie.
    Harald stellte den Benzinhahn auf »Auf«.
    Karen pumpte, bis Treibstoff auf den Boden tropfte, dann rief sie: »Magnetzünder an!«
    Harald schaltete die Magnetzünder an und überprüfte noch einmal den Gashebel, der nach wie vor auf Eins stand.
    Karen griff nach dem Propeller und zog ihn hinunter. Wieder war das laute Klicken zu hören. »Hörst du das?«, fragte Karen.
    »Ja.«
    »Das ist der Startermagnet. Am Klicken hörst du, ob er funktioniert.« Sie drehte den Propeller ein zweites, dann ein drittes Mal.
    Schließlich drehte sie ihn mit aller Macht und trat flink zurück.
    Der Motor bellte und hustete. Das Geräusch war erschreckend laut und hallte in der ganzen Kirche wider. Dann war es vorbei.
    Harald jubelte.
    »Worüber freust du dich denn so?«, fragte Karen.
    »Er hat gezündet! Dann kann er keinen ernsthaften Schaden haben.«
    »Aber angesprungen ist er nicht.«
    »Der kommt schon, bestimmt. Versuches noch mal.«
    Wieder drehte sie den Propeller, mit demselben Ergebnis. Das Einzige, was sich änderte, war die Farbe ihrer Wangen, die vor lauter Anstrengung rot wurden, was ihr sehr gut stand.
    Nach dem dritten vergeblichen Versuch drehte Harald die Schalter ab. »Das Benzin fließt jetzt ohne Unterbrechung«, sagte er. »Für mich klingt‘s so, als läge es an der Zündung. Wir brauchen das richtige Werkzeug dafür.«
    »Da ist die Werkzeugtasche.« Karen trat ans Cockpit und hob das Polster von einem der Sitze. Darunter befand sich ein großes Fach, dem sie eine mit Lederriemen verschlossene

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