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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wunderbare Ereignis mit etwas anderem, Besorgnis Erregendem verquickt gewesen, doch in seiner Begeisterung war ihm die Gefahr ziemlich gleichgültig.
    Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Karen Duchwitz hatte sich bereit erklärt, ihn in der Hornet Moth nach England zu fliegen!
    Abrupt setzte Harald sich auf und machte damit den schlafenden Kater wach. Mit einem beleidigten Maunzen sprang Pinetop auf den Boden.
    Die Gefahr lag darin, dass sie beide gefasst, verhaftet und getötet werden konnten. Was Harald trotzdem glücklich machte, war die Aussicht, stundenlang mit Karen allein zu sein. Nicht, dass er sich davon ein romantisches Abenteuer versprochen hätte -. Er war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sie sich in Kreisen bewegte, zu denen er niemals Zugang bekommen würde – nur: An seinen Empfindungen für Karen änderte dieses Wissen gar nichts. Und obwohl er schon den Gedanken an einen einzigen Kuss ins Reich des Unmöglichen verwies, war allein die Vorstellung, auf dem langen Flug mit ihr zusammen zu sein, ungeheuer aufregend. Hinzu kam, dass der Flug zwar krönender Abschluss war, aber längst nicht alles, denn vor dem Start musste erst einmal das Flugzeug repariert werden, und das erforderte mehrere Tage intensiver gemeinsamer Arbeit.
    Der gesamte Plan stand und fiel mit der Frage, ob es ihnen überhaupt gelingen würde, die Hornet Moth wieder flugtauglich zu machen. In der vergangenen Nacht hatte ihnen nur eine Taschenlampe zur Verfügung gestanden, sodass an eine gründliche Untersuchung der Maschine nicht zu denken gewesen war. Jetzt jedoch schien die Sonne durch die Hochfenster über der Apsis, und Harald konnte sehr wohl beurteilen, was für eine immense Aufgabe vor ihnen lag.
    Er wusch sich am Waschbecken in der Ecke mit kaltem Wasser, zog sich an und begann mit seiner Inspektion.
    Das Erste, was ihm auffiel, war ein langer, dicker Strick, der ans Fahrwerk gebunden war. Wozu diente der? Harald brauchte eine Weile, bis ihm einfiel, dass das Flugzeug damit bewegt werden konnte, auch wenn der Motor nicht lief. Bei zurückgeschlagenen Tragflächen durfte es schwierig sein, eine Stelle zu finden, an der man Hand anlegen und die Maschine schieben konnte, doch mithilfe des Seils ließ sie sich herumziehen wie ein Karren.
    In diesem Augenblick erschien Karen.
    Sie war leger gekleidet und trug Sandalen zu den Shorts, die ihre langen, kräftigen Beine sehen ließen. Ihr lockiges Haar war frisch gewaschen und bauschte sich wie eine kupferfarbene Wolke um ihren Kopf. So müssen Engel aussehen, dachte Harald. Was für eine Tragödie, wenn sie unser Abenteuer nicht überleben sollte. Aber wer will jetzt schon ans Sterben denken? Ich habe ja noch nicht einmal mit der Reparatur des Flugzeugs angefangen!
    Im hellen Morgenlicht erkannte er, wie schwer diese Aufgabe war. Seine Zuversicht schwand.
    Auch Karen war an diesem Morgen pessimistisch. Gestern noch hatte die Abenteuerlust sie euphorisch gestimmt – heute überwog die Skepsis. »Ich hab darüber nachgedacht, wie wir das Ding hier flicken sollen«, sagte sie, »aber ich bin mir nicht sicher, ob wir das überhaupt schaffen können – vor allem in so kurzer Zeit. Wir haben ja nur noch zehn Tage – oder neun, ab heute.«
    Harald spürte, wie ihn eine gewisse Sturheit überkam. Sie ergriff immer dann von ihm Besitz, wenn ihm jemand sagte, er könne etwas nicht. »Warten wir‘s ab«, sagte er.
    »Du hast wieder diesen Blick«, bemerkte Karen.
    »Welchen?«
    »Diesen bestimmten Blick, der einem unmissverständlich zu verstehen gibt, dass du nicht hören willst, was man dir sagt.«
    »Ich hab keinen ›bestimmten Blick‹«, erwiderte Harald gereizt.
    Karen lachte. »Du beißt die Zähne zusammen, ziehst die Mundwinkel runter und runzelst die Stirn.«
    Er musste lächeln, obwohl er es gar nicht wollte. In Wahrheit schmeichelte es ihm, dass sie seine Miene so genau beobachtete.
    »Schon besser«, sagte Karen.
    Harald musterte die Hornet Moth mit dem Blick des Ingenieurs. Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, dachte er, die Flügel seien abgebrochen, und hatte erst bei genauerem Hinsehen erkannt, dass sie zurückgeklappt waren. Er betrachtete die Scharniere am Rumpf. »Ich glaube, die kriege ich wieder hin«, sagte er.
    »Das ist kein Problem«, sagte Karen. »Thomas, unser Fluglehrer, hat die Tragflächen immer in Position bringen müssen, wenn die Maschine aus dem Hangar geholt wurde. Es dauert nur ein paar Minuten.« Karen legte die Hand auf die

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