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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Segeltuchtasche entnahm.
    Harald öffnete die Tasche und nahm einen Steckschlüssel mit drehbarem Kopf heraus, mit dem man »um die Ecke« arbeiten konnte. »Ein Universal-Zündkerzenschlüssel«, sagte er anerkennend. »Captain de Havilland hat doch nicht alles falsch gemacht.«
    Auf der rechten Seite des Motors befanden sich vier Zündkerzen. Harald zog eine heraus und untersuchte sie. An den Kontakten war Öl. Karen zog ein mit gehäkelter Spitze gesäumtes Taschentuch aus der Hosentasche und rieb die Zündkerze sauber. Dann fand sie eine Fühlerlehre in der Werkzeugtasche und überprüfte damit die Kontakte. Harald setzte die Zündkerze wieder ein, und sie wiederholten die Prozedur mit den drei anderen Zündkerzen.
    »Auf der anderen Seite sind noch mal vier«, sagte Karen.
    Obwohl der Motor nur vier Zylinder hatte, gab es zwei Magnetzünder, von denen jeder seinen eigenen Satz Zündkerzen besaß – eine Sicherheitsvorkehrung, wie Harald vermutete. An die Zündkerzen auf der linken Seite war schwerer heranzukommen, denn sie waren hinter zwei Kühlblechen angebracht, die zuerst entfernt werden mussten.
    Nachdem alle Zündkerzen überprüft und gesäubert waren, nahm Harald die Bakelithauben von den Unterbrechern und überprüfte die Kontakte. Schließlich entfernte er die Verteilerkappen von den Magnetzündern und wischte deren Innenseiten mit Karens Taschentuch sauber, das inzwischen nur noch ein vor Dreck starrender Lumpen war.
    »Die wichtigsten Störfaktoren haben wir jetzt beseitigt«, sagte er. »Wenn sie jetzt nicht anspringt, sitzen wir in der Tinte.«
    Karen pumpte wieder. Dann drehte sie dreimal langsam den Propeller. Harald schaltete im Cockpit die Magnetzünder ein. Karen versetzte dem Propeller einen letzten Schwung und trat zurück.
    Der Motor spotzte und stotterte. Harald, der in der Cockpittür stand, schob den Gashebel vor. Der Motor heulte auf und lief rund.
    Harald stieß ein Triumphgeheul aus, als sich der Propeller drehte, doch der Motor war so laut, dass er seine eigene Stimme kaum hören konnte. Die Kirchenmauern warfen den Schall zurück und ließen den Lärm ohrenbetäubend werden. Harald sah gerade noch die Schwanzspitze des Katers Pinetop durch ein Fenster entschwinden.
    Karen kam auf ihn zu, die Haare wild wehend im Luftstrom des Propellers. In seinem Überschwang drückte Harald sie an sich. »Wir haben‘s geschafft!«, schrie er, und spürte zu seiner namenlosen Freude, dass Karen ihn ebenfalls an sich drückte. Dabei sagte sie etwas. Er schüttelte den Kopf, um ihr deutlich zu machen, dass er sie in dem Lärm nicht verstehen konnte. Da kam sie mit ihrem Gesicht ganz nah an seine Wange und sagte ihm etwas ins Ohr. Er spürte ihre Lippen auf seiner Haut und konnte plötzlich an nichts anderes mehr denken als daran, wie leicht es jetzt wäre, Karen zu küssen.
    »Wir sollten sie abstellen, bevor jemand sie hört!«, schrie sie.
    Jetzt endlich verstand er sie und begriff, dass das alles hier kein Spiel war und dass die Reparatur des Flugzeugs allein dem Zweck diente, einen lebensgefährlichen Geheimflug zu unternehmen. Er steckte den Kopf wieder in die Kabine, stellte den Gashebel auf »Aus«
    und schaltete die Magnetzünder ab. Der Motor ging aus.
    Nachdem der Lärm verklungen war, hätte es in der Kirche mucksmäuschenstill sein müssen, doch das war es nicht. Von draußen drangen merkwürdige Geräusche herein. Harald dachte im ersten Moment, der furchtbare Krach dröhne in seinen Ohren nach, erkannte aber rasch, dass es sich um andere Geräusche handelte. Trotzdem blieb er skeptisch, denn was er hörte, klang wie das Getrampel marschierender Füße.
    Karen starrte ihn an. Ihre Miene verriet Verwirrung und Angst.
    Wie auf Kommando drehten sie sich beide um und liefen zu den Fenstern. Harald sprang auf die Kiste, die er dort abgestellt hatte, um die hügelige Landschaft überblicken zu können. Er reichte Karen die Hand, und sie sprang ebenfalls hinauf. Gemeinsam spähten sie hinaus.
    Ein Trupp von ungefähr dreißig Soldaten in deutschen Uniformen marschierte den Fahrweg herauf.
    Die sind hinter mir her, war Haralds erster Gedanke. Erst auf den zweiten Blick erkannte er dann, dass die Soldaten nicht für eine Menschenjagd ausgerüstet waren. Die meisten waren offenbar unbewaffnet. Sie hatten ein schweres, von vier müden Pferden gezogenes Fuhrwerk bei sich, das mit Ausrüstungsgegenständen beladen war. Das Ganze wirkte, als wollten sie irgendwo kampieren. Der Trupp marschierte am

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