Mitternachtsfalken: Roman
sie die Szenerie von ihrem Versteck am Waldrand aus im Auge. Ihre Aufgabe bestand darin, Harald zu warnen, sobald sich jemand näherte.
Der Kanister war schnell voll. Harald schraubte ihn zu und hob ihn auf. Er war schwer. Sorgfältig hängte er den Schlauch wieder an seinen Haken und rannte zurück. Kaum war er im Schutz der Bäume, blieb er stehen und strahlte Karen triumphierend an. Er hatte zwanzig Liter Benzin geklaut, ohne erwischt zu werden – der Plan funktionierte!
Er ließ Karen und Thor an Ort und Stelle und ging durch den Wald zum Kloster zurück. Um mit seiner Last problemlos in die Kirche zu kommen, hatte er die Haupteingangstür vorsorglich aufgeschlossen; den schweren Kanister jedes Mal durch das hochgelegene Fenster zu bugsieren, wäre umständlich und zeitraubend gewesen. Erleichtert setzte er den Kanister vor der Hornet Moth ab, klappte das Zugangsblech vor dem Einfüllstutzen des Tanks auf und schraubte den Deckel ab. Da seine Finger vom Schleppen des schweren Kanisters fast gefühllos waren, dauerte es eine Weile, bis er den Deckel in der Hand hielt. Er füllte den Inhalt des Kanisters in den Flugzeugtank, schraubte beide Kappen wieder zu, damit der Benzingeruch nicht zu penetrant wurde, und machte sich wieder auf den Weg.
Er füllte den Kanister gerade zum zweiten Mal, als sich der Posten entschloss, einen Kontrollgang zu machen.
Harald konnte den Mann nicht sehen, wusste aber, als er Karens Pfiff hörte, dass etwas nicht stimmte. Als er aufblickte, sah er sie mit Thor auf den Fersen aus dem Wald kommen. Er ließ den Pumpen Schwengel los und kniete nieder, um unter dem Tankwagen hindurchzuschauen. Er sah die Stiefel des Soldaten näher kommen.
Sie hatten das Problem vorhergesehen und waren darauf vorbereitet. Immer noch auf Knien beobachtete Harald, wie Karen auf den Wachposten zuschlenderte. Sie erreichte ihn, als er nur noch etwa fünfzig Meter vom Tankwagen entfernt war. Der Hund beschnüffelte freundlich den Schritt des Mannes, und Karen zog ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Hosentasche. Wie würde der Posten reagieren? War er zugänglich und ließ sich dazu verleiten, mit einem hübschen Mädchen eine Zigarette zu rauchen? Oder war er ein Pedant, der sie aufforderte, ihren Hund gefälligst anderswo spazieren zu führen, und dann seine Patrouille fortsetzen würde? Harald hielt den Atem an. Der Posten zog eine Zigarette aus dem Päckchen, gab Karen Feuer und zündete sich dann seinen eigenen Glimmstängel an.
Der Soldat war ein kleiner Kerl mit schlechtem Teint. Harald konnte das Gespräch nicht verstehen, wusste aber, was Karen dem Mann erklärte: Sie könne nicht schlafen, fühle sich einsam und wolle mit jemandem reden. »Glaubst du nicht, dass ihn das misstrauisch macht?«, hatte Karen gefragt, als sie am Vorabend darüber diskutiert hatten. Harald hatte ihr versichert, ihr Opfer würde sich über den kleinen Flirt viel zu geschmeichelt fühlen, um ihre Motive in Frage zu stellen. In Wirklichkeit war er sich dessen gar nicht so sicher gewesen, weshalb er nun große Erleichterung empfand, als der Posten sich genauso verhielt, wie er es prophezeit hatte.
Harald sah, wie Karen auf einen ein wenig abgelegenen Baumstumpf deutete und dem Soldaten dorthin vorausging. Sie setzte sich so, dass der Mann, wenn er neben ihr sitzen wollte, dem Tankwagen den Rücken zuwenden musste. Harald wusste, dass sie jetzt behauptete, die jungen Männer in der Umgebung seien alle Langweiler und dass sie sich lieber mit Männern unterhielte, die schon ein bisschen in der Welt herumgekommen seien, die wären halt doch schon etwas reifer.
Karen klopfte auf den Platz neben sich, um den Mann zu ermutigen. Prompt setzte er sich neben sie.
Und Harald fing wieder an zu pumpen.
Er füllte den Kanister und rannte damit in den Wald. Jetzt hatten sie vierzig Liter!
Als er zurückkam, saßen Karen und der Soldat noch immer an der gleichen Stelle. Während Harald den Kanister zum dritten Mal füllte, rechnete er sich aus, wie lang er insgesamt noch brauchen würde. Das Auffüllen des Kanisters dauerte etwa eine Minute, der Gang zur Kirche etwa zwei, das Umfüllen des Benzins in die Hornet Moth eine weitere Minute, die Rückkehr zum Tankwagen noch einmal zwei – machte insgesamt sechs Minuten pro Kanister, also zweiundvierzig Minuten für die restlichen sieben Kanister. Und da er damit rechnen musste, allmählich müde zu werden, veranschlagte er rund fünfzig Minuten für alles in allem.
Konnte Karen den Posten
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