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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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die Rolle an sich und wandte sich dann zum Gehen.
    »Nein, nein!«, zischte Ben. »Du kannst doch nicht mit dem Ding in der Hand durchs Tor spazieren, um Gottes willen! Versteck die Rolle in deinem Gepäck!«
    Harald öffnete Arnes Koffer. Er war voll.
    Ben sagte: »Gib mir die Uniform, schnell!«
    Harald nahm Arnes Uniform heraus und legte dafür die Kabelrolle hinein.
    Ben nahm ihm die Uniform ab. »Ich kümmere mich schon drum, mach dir keine Sorgen. Und nun sieh zu, dass du hier wegkommst!«
    Harald schloss den Koffer und griff in seine Hosentasche. »Ich hab dir zweihundert Kronen versprochen.«
    »Behalt dein Geld«, sagte Ben. »Und viel Glück, mein Junge.«
    »Danke!«
    »Nun mach schon! Ich will dich hier nicht mehr sehen!«
    »Geht in Ordnung«, sagte Harald und ging schnellen Schritts davon.
    Am folgenden Morgen stand Harald im grauen Schimmer der Dämmerung vor Schloss Kirstenslot. Es war halb vier, und in der Hand hielt er einen Zwanzig-Liter-Kanister, der einmal 01 enthalten hatte, nun aber leer und sauber war. Der Tank der Hornet Moth fasste knapp 160 Liter Benzin. Da es keine legale Möglichkeit gab, an Treibstoff zu gelangen, wollte Harald ihn bei den Deutschen stehlen.
    Was er sonst brauchte, hatte er. Die Hornet Moth erforderte nur noch ein paar Stunden Reparaturarbeit, dann war sie startklar – oder besser; Sie wäre es gewesen. Aber ihr Tank war leer.
    Die Küchentür ging auf, und Karen kam heraus, begleitet von Thor, dem alten Roten Setter, über den Harald immer grinsen musste, weil er Herrn Duchwitz so ähnlich sah. Karen blieb auf der Schwelle stehen und sah sich vorsichtig um wie eine Katze, wenn Fremde im Haus sind. Obwohl ein dicker grüner Pullover ihre Figur verbarg und sie die alten braunen Cordhosen trug, die Harald als ihre »Gärtnerklamotten« bezeichnete, sah sie wundervoll aus. Sie hat mich Liebster genannt, dachte er und wärmte sich an der Erinnerung. Sie hat mich wirklich Liebster genannt!
    Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das ihm fast den Atem nahm. »Guten Morgen!«
    Ihre Stimme klang gefährlich laut. Harald legte einen Finger an die Lippen, damit sie nicht weitersprach. Es war sicherer für sie beide, wenn alles in absoluter Stille ablief. Zu besprechen gab es ohnehin nichts mehr: Sie hatten ihren Plan am vergangenen Abend auf dem Boden der alten Kirche sitzend geschmiedet, bei Schokoladenkuchen aus der Speisekammer von Kirstenslot.
    Harald ging voran, und sie verschwanden im Wald. Die erste Hälfte der Strecke durch den Park legten sie im Schutz der Bäume zurück. Als sie auf gleicher Höhe mit den Zelten der Soldaten waren, lugten sie vorsichtig aus dem Gebüsch. Wie erwartet, sahen sie nur einen einzigen Mann, der Wache hielt, und der stand gähnend vor dem Kantinenzelt. Alle anderen schliefen um diese Zeit noch. Harald war froh, dass sich seine Vermutungen bestätigten.
    Der Benzinvorrat der tierärztlichen Versorgungskompanie befand sich in einem kleinen Tankwagen, der – zweifellos aus Sicherheitsgründen – in ungefähr hundert Metern Entfernung von den Zelten geparkt war. Der Abstand war ein Vorteil, wenngleich Harald nichts dagegen gehabt hätte, wenn er noch größer gewesen wäre. Der Tank wurde, wie er beobachtet hatte, mit einer Handpumpe bedient und war nicht abschließbar.
    Der Wagen stand gleich neben der Zufahrt zum Schloss, sodass Fahrzeuge, die betankt werden sollten, die befestigte Straße nicht verlassen mussten. Dementsprechend befanden sich auch der Schlauch und die Pumpe auf der Straßenseite, und dies bedeutete, dass man beim Tanken vom Zeltlager aus nicht zu sehen war.
    Obwohl er also alles vorfand wie erwartet, zögerte Harald noch. Es schien der helle Wahnsinn zu sein, direkt unter den Augen der Soldaten Benzin zu stehlen. Andererseits war es auch gefährlich, zu viel darüber nachzudenken. Furcht konnte sich lähmend auswirken. Das einzige Heilmittel dafür war die Tat. Kurz entschlossen verließ Harald seine Deckung – sowie Karen und den Hund – und ging rasch durchs taufeuchte Gras auf den Tankwagen zu.
    Er nahm den Schlauch vom Haken, steckte die Mündung in den mitgebrachten Kanister und griff nach dem Pumpenschwengel. Als er ihn herabzog, gluckerte es im Tankinnern vernehmlich, und das Benzin schoss rauschend in den Kanister. Harald kam es sehr laut vor; er konnte nur hoffen, dass der Wachposten in hundert Metern Entfernung nichts davon mitbekam.
    Nervös sah er sich nach Karen um. Wie sie es abgesprochen hatten, behielt

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