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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mindestens zwei Stunden unterwegs.«
    »Länger. Dieser Zug kriecht wie eine Schnecke.«
    »Ich kann nach Kirstenslot fahren, mich dort eine Stunde lang umsehen und dich dann immer noch am Bahnhof treffen.«
    »Gut«, sagte er. »Tu das.«
    A ls Harald sich wieder beruhigt hatte, sah er ein, dass Karens Entscheidung, den Abflug um einen Tag zu verschieben, so vollkommen irrsinnig gar nicht war. Er versetzte sich in ihre Lage, indem er sich vorstellte, man habe ihm die Möglichkeit geboten, mit dem weltbekannten Physiker Niels Bohr ein bedeutsames Experiment durch zuführen. Für eine solche Chance hätte ich unsere Flucht nach England vermutlich ebenfalls verschoben, dachte er. Vielleicht hätten Niels Bohr und ich der Menschheit einen neuen Weg zum Verständnis des Universums aufgezeigt. Wenn ich schon sterben muss, dann am liebsten in dem Wissen, noch rechtzeitig vorher so was oder etwas Ähnliches auf die Beine gestellt zu haben …
    Dennoch war auch der folgende Tag anstrengend und nervenaufreibend. Harald überprüfte die Hornet Moth doppelt und dreifach. Er machte sich mit dem Instrumentenbrett vertraut, um Karen während des Fluges helfen zu können, und prägte sich die einzelnen Armaturen ein. Das Brett war nicht beleuchtet, da die Maschine nicht für Nachtflüge konstruiert war; es würde ihnen nichts anderes übrig bleiben, als die Anzeigen mithilfe einer Taschenlampe zu lesen. Harald übte das Vor- und Zurückklappen der Tragflächen und schaffte es in immer kürzerer Zeit. Er probierte sogar die Methode aus, die er sich für das Auftanken der Maschine während des Flugs ausgedacht hatte und ließ zu diesem Zweck ein wenig Benzin durch den Schlauch, der durch das herausgedrückte Fenster führte, in den Tank fließen. Harald beobachtete auch das Wetter: Der Himmel war locker bewölkt, und es wehte eine leichte Brise – die Bedingungen waren also nicht schlecht. Am Spätnachmittag ging der drei Viertel volle Mond auf. Harald zog sich frische Kleidung an.
    Er lag auf seinem Nischenbett und streichelte Pinetop, den Kater, als jemand am großen Kirchenportal rüttelte.
    Harald fuhr auf, setzte Pinetop auf dem Boden ab und lauschte.
    Er hörte die Stimme von Per Hansen. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es abgeschlossen ist!«
    Eine Frau antwortete: »Umso mehr Grund, da drinnen nachzusehen.«
    Der befehlsgewohnte Klang ihrer Stimme machte Harald Angst. Vor seinem geistigen Auge sah er eine Frau von etwa dreißig Jahren, attraktiv, aber geschäftsmäßig. Offenkundig handelte es sich um eine Polizistin. Wahrscheinlich war sie es, dachte er, die Hansen gestern hergeschickt hat, damit er im Schloss und auf dem Gutsgelände nach mir sucht. Und weil sie mit Hansens Arbeit nicht zufrieden war, sieht sie heute selber nach.
    Harald fluchte leise. Diese Frau war bestimmt gründlicher als Hansen – und bestimmt würde sie nicht lange brauchen, bis sie herausfand, wie man in die Kirche gelangte. Wo konnte er sich verstecken? Allenfalls im Kofferraum des Rolls-Royce – aber dort würde jeder, der es mit der Suche auch nur halbwegs ernst meinte, garantiert nachsehen.
    Es war vermutlich schon zu spät, um durch das gewohnte Fenster zu entkommen, das, vom Hauptportal aus gesehen, direkt am die Ecke lag. Kurz entschlossen lief Harald zu einem der Fenster rund um den Altarraum, schlüpfte hindurch und sprang hinunter.
    Kaum stand er im Freien, sah er sich vorsichtig um. Da diese Seite der Kirche nur unvollkommen von Bäumen verdeckt war, hatte ihn vielleicht einer der Soldaten gesehen. Zum Glück war niemand in der Nähe.
    Er zögerte. Einerseits wollte er nichts als fliehen, andererseits musste er wissen, was die beiden vorhatten. Er drückte sich flach gegen die Kirchenmauer und lauschte. Dann hörte er Hansen sagen: »Frau Jespersen? Wenn wir uns auf diesen Holzklotz stellen, können wir durchs Fenster in die Kirche.«
    »Genau zu diesem Zweck liegt das Ding ja dort«, gab die Frau kurz angebunden zurück. Diese Frau Jespersen ist viel gescheiter als Hansen, dachte Harald und hatte das schreckliche Gefühl, sie würde alles herausfinden.
    Er hörte Füßescharren an der Mauer, ein Ächzen von Hansen, der sich in diesem Augenblick vermutlich durchs Fenster quetschte, und dann einen Plumps, als er auf dem Steinboden landete. Wenige Sekunden später plumpste es ein zweites Mal, wenn auch nicht ganz so heftig.
    Harald schlich um die Mauer, stellte sich auf den Klotz und lugte durchs Fenster.
    Frau Jespersen war eine

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