Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
neben dem Bewusstlosen nieder – und sah sofort, dass er atmete. Gott sei Dank, dachte er erleichtert. Allein schon der Gedanke, er könne einen Menschen umgebracht haben – und sei es auch nur einen hinterhältigen Trottel wie Hansen -, war ihm unerträglich.
    Der Kampf hatte nur Sekunden gedauert. Gab es Zeugen? Harald ließ den Blick über den Park zum Zeltlager schweifen. Dort gingen einige Männer herum, doch keiner sah her.
    Er steckte Hansens Pistole in die Hosentasche, wuchtete den schlaffen Körper wie ein Feuerwehrmann über seine Schulter und schleppte ihn, so schnell er konnte, um die Kirche herum zum Hauptportal, das immer noch offen stand. Sein Glück blieb ihm treu – niemand sah ihn.
    Er legte Hansen auf den Boden, schloss die Tür hinter sich und sperrte sie ab. Mit der Schnur aus dem Cockpit der Hornet Moth band er Hansens Füße zusammen. Dann drehte er ihn um und fesselte ihm die Hände auf dem Rücken. Schließlich holte er das benutzte Hemd und stopfte es dem Bewusstlosen zur Hälfte in den Mund, damit er nicht schreien konnte. Mit einer Schnur um Hansens Kopf band er den Knebel fest.
    Zum Schluss wuchtete er Hansen in den Kofferraum des Rolls-Royce und schloss den Deckel.
    Er warf einen Blick auf seine Uhr. Noch blieb ihm genügend Zeit, um in die Stadt zu fahren und Karen zu warnen.
    Er heizte den Kessel seines Motorrads an. Er musste damit rechnen, gesehen zu werden, wenn er aus der Kirche herausfuhr, aber für besondere Vorsichtsmaßnahmen fehlte jetzt schon die Zeit.
    Mit der Dienstpistole eines Polizisten in der sichtbar ausgebeulten Hosentasche konnte er allerdings Probleme bekommen. Da er nicht recht wusste, was er mit der Waffe tun sollte, öffnete er kurzerhand die rechte Tür der Hornet Moth und legte sie im Cockpit auf den Boden. Dort war sie praktisch unsichtbar – es sein denn, jemand bestieg das Flugzeug und trat darauf.
    Als das Motorrad unter Dampf stand, öffnete Harald das Kirchenportal, fuhr sein Gefährt hinaus, schloss das Portal von innen wieder ab und verließ die Kirche durchs Fenster. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.
    Ständig nach der Polizei Ausschau haltend, fuhr er in die Stadt und parkte das Motorrad neben dem Königlichen Theater. Ein roter Teppich führte zum Eingang hinauf, und Harald fiel wieder ein, dass der König die Vorstellung besuchen wollte. Einem Plakat entnahm er die Information, dass Les Sylphides das letzte von drei Balletts war, die an diesem Tag auf dem Programm standen. Aus der Tatsache, dass viele Menschen in festlicher Kleidung mit Gläsern in den Händen auf den Stufen herumstanden, schloss Harald, dass gerade Pause sein musste.
    Er ging zum Bühneneingang, kam dort aber nicht weiter: Die Tür wurde von einem livrierten Portier bewacht. »Ich muss mit Karen Duchwitz sprechen«, erklärte Harald.
    »Das ist völlig ausgeschlossen«, antwortete der Portier. »Sie hat
    gleich ihren Auftritt.«
    »Es ist äußerst wichtig.«
    »Sie müssen bis zum Ende der Vorstellung warten.«
    Harald erkannte, dass der Mann hart bleiben wurde, und fragte: »Wie lang dauert das Ballett?«
    »Ungefähr eine halbe Stunde – je nachdem, wie schnell das Orchester spielt.«
    Harald erinnerte sich, dass Karen an der Kasse eine Eintrittskarte für ihn hatte hinterlegen wollen.
    Er ging ins Foyer, das ganz aus Marmor bestand, holte sich seine Karte ab und betrat den Zuschauerraum. Er war noch nie in einem Theater gewesen und betrachtete nun voller Staunen das üppig vergoldete Interieur und die ansteigenden Ränge mit den roten Plüschsitzen. Sein Platz war in der vierten Reihe. Er setzte sich. Direkt vor ihm saßen zwei deutsche Offiziere in Uniform. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Warum fing die Vorstellung nicht endlich an? Mit jeder Minute, die verstrich, rückte die Konfrontation mit Peter Flemming näher.
    Auf dem Sitz neben ihm war ein Programmheft liegen gelassen worden. Harald blätterte es durch und suchte Karens Namen. Auf der offiziellen Besetzungsliste fand er ihn nicht, doch hieß es auf einem beigelegten Zettel, die Primaballerina sei indisponiert und werde von Karen Duchwitz vertreten. Aus dem Zettel ging weiteres hervor, dass die einzige männliche Rolle von der Zweitbesetzung Jan Anders getanzt wurde. Wahrscheinlich war der Primo Uomo ebenfalls Opfer der Magen-Darm-Verstimmung, die das halbe Ensemble befallen hatte. Ausgerechnet bei einer Vorstellung, bei der der König im Publikum sitzt, müssen die Hauptrollen mit

Weitere Kostenlose Bücher