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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wie wollen Sie diese Leute erwischen?«
    »Es gibt da eine Gruppe potenziell subversiver Kräfte, um die wir uns bisher nicht eingehend genug gekümmert haben, und zwar die Juden.«
    Flemming hörte, wie Juel tief Luft holte.
    »Ja, dann holen Sie das besser nach«, sagte Braun.
    »Es ist in diesem Land manchmal schwer zu sagen, wer Jude ist und wer nicht.«
    »Dann gehen Sie in die Synagoge!«
    »Gute Idee«, sagte Flemming. »Dort gibt es vielleicht Mitgliederlisten. Das wäre immerhin schon mal ein Anfang.«
    Juel bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, sagte aber kein Wort.
    »Meine Vorgesetzten in Berlin sind beeindruckt von der Loyalität und Kompromisslosigkeit, die die dänische Polizei beim Abfangen dieser Botschaft an den britischen Geheimdienst an den Tag gelegt hat. Dennoch bestand die ernsthafte Absicht, eine Fahndungsgruppe der Gestapo herzuschicken. Ich habe ihnen das ausgeredet, indem ich versprach, dass Sie diesen Spionagering mit allem Nachdruck verfolgen und die Verräter zur Strecke bringen werden.« Das war eine lange Rede für einen Mann, der nur noch eine Lunge hatte. Braun war außer Atem und machte eine Pause. Sein Blick wanderte von Flemming zu Juel und wieder zurück. Als er wieder genügend Luft hatte, sprach er zu Ende: »Und ich hoffe um Ihrer selbst und um das Wohl Ihres Landes willen, dass Sie mit Ihren Bemühungen Erfolg haben.«
    Juel und Flemming standen auf, und Juel sagte gepresst: »Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht.«
    Sie gingen. Kaum hatten sie das Gebäude verlassen, fuhr Juel Flemming an. Seine tiefblauen Augen funkelten vor Wut. »Sie wissen ganz genau, dass diese Angelegenheit nichts mit der Synagoge zu tun hat, verdammt noch mal!«
    »Mir ist nichts dergleichen bekannt.«
    »Sie kriechen doch bloß den Nazis in den Hintern, Sie widerlicher Kerl!«
    »Warum sollen wir ihnen nicht helfen? Ihr Recht gilt jetzt bei uns.«
    »Sie bilden sich ein, dass Sie unter den Nazis Karriere machen können.«
    »Warum auch nicht?«, fragte Flemming zurück. Es reizte ihn, seinem Vorgesetzten Kontra zu geben. »Die feine Gesellschaft hier in Kopenhagen steckt voller Vorurteile gegen Männer aus der Provinz. Die Nazis sind in diesem Punkt vielleicht fairer.«
    Juel meinte, nicht richtig gehört zu haben. »Das glauben Sie?«
    »Auf jeden Fall anerkennen sie auch die Leistungen von Leuten,
    die nicht auf der Jansborg Skole waren.«
    »Sie bilden sich also ein, dass man Sie wegen Ihrer Herkunft übergangen hat? Sie Idiot! Sie haben den Posten nicht bekommen, weil Sie zu radikal sind. Ihnen fehlt das Gefühl für Verhältnismäßigkeit. Sie würden am liebsten das Verbrechen ausrotten, indem Sie jeden einsperren, der auch nur irgendwie verdächtig aussieht.« Er lachte verächtlich auf. »Wenn ich auch nur ein Fünkchen Einfluss habe, dann werden Sie nie wieder befördert. Und jetzt verschwinden Sie, ich kann Sie nicht mehr sehen!« Er ging.
    In Flemming loderte Hass auf. Was bildet sich dieser Juel eigentlich ein, dachte er. Dass er einen berühmten Vorfahren hat, macht noch lange keinen besseren Menschen aus ihm. Er ist Polizist, genau wie ich, und er hat nicht das geringste Recht, so daherzureden, als gehöre er einer höheren Lebensform an.
    Aber Flemming hatte sich durchgesetzt. Er hatte Juel eine Niederlage beigebracht und besaß jetzt einen Freibrief für eine Razzia in der Synagoge.
    Juel würde ihm das nie vergeben. Doch was machte das schon aus? Die wahre Macht lag jetzt in den Händen von General Braun. Es war allemal besser, Brauns Favorit und Juels Feind zu sein als umgekehrt.
    Wieder im Präsidium, trommelte Flemming rasch seine Truppe zusammen. Er wählte die gleichen Leute aus, die er schon auf dem Flughafen Kastrup eingesetzt hatte: Conrad, Dresler und Ellegard. An Tilde Jespersen gewandt, sagte er: »Ich hätte Sie auch gern dabei, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Warum sollte ich etwas dagegen haben?«, fragte sie gereizt zurück.
    »Nun, nach unserem Gespräch beim Mittagessen.«
    »Bitte! Ich bin ein Profi, das habe ich Ihnen doch gesagt.«
    »Schon gut«, sagte Flemming.
    Sie fuhren zu einer Straße namens Krystalgade. Die aus gelbbraunem Backstein errichtete Synagoge bot der Straße ihre Flanke; es sah aus, als schütze sie sich mit einer hochgezogenen Schulter gegen eine feindliche Welt. Flemming ließ Ellegard am Tor zurück, um sicherzustellen, dass niemand entkommen konnte.
    Ein älterer Mann mit einer Jarmulke auf dem Kopf kam aus dem

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