Mitternachtsfalken: Roman
Mannes, der endlich den Beweis dafür sieht, dass er immer alles richtig gemacht hat: »Ich wunderte mich schon, als ich diesen Namen auf der Liste der in der vergangenen Nacht festgenommenen Personen sah. Sollte dieser Schmierfink und Trunkenbold Harald Olufsen tatsächlich der Sohn von Pastor Olufsen aus Sande sein? Und ei der Daus, was sehe ich? Die beiden sind tatsächlich ein und dieselbe Person!«
Es war zum Verzweifeln. Gerade hatte Harald sich noch in der Hoffnung gewiegt, der grässliche Vorfall könne vielleicht doch geheim gehalten werden, da stellte sich heraus, dass ausgerechnet ein alter Feind der Familie den genauen Hergang kannte.
Flemming wandte sich an den Polizisten und sagte von oben herab: »Ich übernehme jetzt den Fall.«
Der Mann wirkte verärgert: »Auf Anordnung des Polizeirats wird keine Anklage erhoben, Herr Inspektor.«
»Darum kümmere ich mich.«
Harald hätte laut losheulen können. Um ein Haar wäre alles gut gegangen. Es war so unfair.
Der Polizist zögerte. Offenbar war er bereit, es auf einen Streit ankommen zu lassen. Doch Flemming sagte mit fester Stimme: »Das war‘s.«
»Sehr wohl, Herr Inspektor.« Der Mann entfernte sich.
Wortlos starrte Flemming Harald an. Es war Harald, der als Erster das Wort ergriff: »Was hast du mit mir vor?«
Flemming lächelte und sagte: »Ich glaube, ich bringe dich in die Schule zurück.«
In einem Polizei-Buick, der von einem uniformierten Beamten gesteuert wurde, bogen sie auf das Gelände der Jansborg Skole ein. Harald saß im Fond wie ein Gefangener.
Die Sonne tauchte die alten roten Backsteinbauten und die grünen Rasenflächen in satte Farben. Ein Anflug von Wehmut überkam Harald, als er an das einfache, behütete Leben dachte, das er in den vergangenen sieben Jahren hier geführt hatte. Was immer jetzt geschehen mochte – dieser so beruhigend vertraute Ort würde nicht mehr lange sein Zuhause sein.
In Peter Flemming rief der Anblick des Internats andere Gefühle hervor. »Hier werden unsere künftigen Herrscher erzogen«, brummte er übellaunig dem Fahrer zu.
»Jawohl, Herr Inspektor«, erwiderte der Mann in neutralem Ton.
Es war die Zeit der großen Pause am späteren Vormittag. Die Schüler verzehrten ihre Vesperbrote im Freien, sodass fast jeder mitbekam, wie der Wagen vor dem Direktorat hielt und Harald ausstieg.
Flemming präsentierte der Sekretärin seine Dienstmarke, worauf er und Harald unverzüglich in Heis‘ Büro geführt wurden.
Harald wusste nicht, was er von alldem halten sollte. Seine schlimmste Befürchtung schien sich nicht zu bewahrheiten: So, wie es aussah, hatte Peter nicht vor, ihn der Gestapo zu überstellen. Er wollte sich nichts vormachen, doch sprachen alle Indizien dafür, dass Peter ihn nur für einen frechen Schuljungen hielt und nicht für ein Mitglied der dänischen Widerstandsbewegung. Unter diesen Voraussetzungen hatte er nichts dagegen einzuwenden, wenn man ihn plötzlich eher wie ein Kind denn als erwachsenen Mann behandelte.
Aber was führte Peter nun tatsächlich im Schilde?
Als sie das Büro des Direktors betraten, wand Heis seinen langen, dünnen Körper hinter dem Schreibtisch hervor und starrte die beiden Besucher betroffen durch seine auf der Spitze der schnabelartigen Nase sitzenden Augengläser an. Seine Stimme war freundlich, ein leichter Tremor verriet jedoch seine Nervosität. »Olufsen? Was hat das zu bedeuten?«
Flemming gab Harald keine Chance, die Frage zu beantworten. Er deutete mit dem Daumen auf ihn und sagte zu Heis in rauem Ton:
»Ist das einer der Ihren?«
Der sanfte Heis zuckte zusammen, als wäre er geschlagen worden. »Olufsen ist ein Schüler unserer Anstalt, ja.«
»Er wurde in der vergangenen Nacht wegen Verunstaltung einer deutschen militärischen Einrichtung festgenommen«, sagte der Inspektor.
Harald spürte, dass Peter die Demütigung des Direktors genoss und entschlossen war, noch mehr Salz in die Wunde zu reiben.
»Das höre ich mit großem Bedauern«, sagte Heis, sichtlich erschüttert.
»Darüber hinaus war er betrunken.«
»Oje.«
»Die Polizei muss nun entscheiden, was mit ihm zu geschehen hat.«
»Ich bin nicht sicher, dass ich.«
»Offen gestanden ist uns nicht daran gelegen, einen Schüler wegen eines Dummejungenstreichs strafrechtlich zu verfolgen.«
»Nun, es freut mich zu hören, dass.«
»Andererseits darf eine solche Tat nicht ungesühnt bleiben.«
»Nein, gewiss nicht.«
»Vor allem werden unsere deutschen Freunde großen Wert
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