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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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zu bewältigen sein.«
    »Gutes Argument.« Tilde ist eine scharfsinnige Analytikerin, dachte er. Sie behält alle Möglichkeiten im Auge. Er musterte ihr intelligentes Gesicht, die klaren blauen Augen und ihre Lippen, wenn sie sich beim Sprechen bewegten.
    Tilde schien seinen forschenden Blick nicht wahrzunehmen. »Mit dem Tod von Kirke ist wahrscheinlich der bisherige Kommunikationsstrang gerissen. Möglicherweise greift jetzt ein Notfallplan.«
    »So ganz überzeugt mich das noch nicht, aber es gibt nur eine Chance, es herauszufinden.«
    »Wir müssen Olufsen weiter beschatten?«
    »Ja. Sagen Sie Dresler, er soll die gleiche Fähre nehmen.«
    »Olufsen hat ein Fahrrad dabei. Soll sich Dresler auch eines mitnehmen?«
    »Ja. Und dann organisieren Sie Tickets für uns beide. Wir fliegen morgen nach Bornholm und sind vor den beiden da.«
    Tilde drückte ihre Zigarette aus und erhob sich. »Wird gemacht.«
    Flemming wollte nicht, dass sie schon wieder ging. Der Aquavit wärmte seinen Magen; er war plötzlich ganz entspannt und genoss es, sich mit einer attraktiven Frau unterhalten zu können. Er hätte sie gerne zurückgehalten – wusste aber nicht, wie.
    Er folgte ihr in den Flur.
    »Dann sehen wir uns morgen auf dem Flughafen«, sagte Tilde.
    »Ja.« Er legte die Hand auf den Türknopf, öffnete aber nicht.
    »Tilde.«
    Sie sah ihn mit unverfänglichem Blick an. »Ja?«
    »Vielen Dank für Ihren Einsatz. Gute Arbeit.«
    Sie berührte seine Wange. »Schlafen Sie gut«, sagte sie, rührte sich aber nicht von der Stelle.
    Er sah sie an. Da war diese Andeutung eines Lächelns in ihren Mundwinkeln, aber er hatte nicht sagen können, was es bedeutete – eine Aufforderung oder bloßen Spott. Er beugte sich vor – und plötzlich küsste er sie.
    Tilde erwiderte seinen Kuss mit einer wilden Leidenschaft, die ihn vollkommen überraschte. Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und stieß ihm die Zunge in den Mund. Nach einer Schrecksekunde reagierte er. Er griff nach ihrer weichen Brust und drückte sie rau. Tilde gab einen kehligen Laut von sich und presste ihre Hüften gegen seinen Körper.
    Aus dem Augenwinkel nahm Peter Flemming eine Bewegung wahr. Er unterbrach den Kuss und drehte den Kopf.
    In der Schlafzimmertür stand wie ein Gespenst in ihrem blassen Nachthemd Inge. Ihr Gesichtsausdruck war leer und nichts sagend wie immer, aber ihr Blick war unverwandt auf Peter und Tilde gerichtet. Peter gab ein Geräusch von sich, das in seinen eigenen Ohren wie ein Schluchzen klang.
    Tilde befreite sich aus seiner Umarmung. Er drehte sich zu ihr, um mit ihr zu reden, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken. Tilde öffnete die Wohnungstür und trat hinaus. Im nächsten Atemzug war sie verschwunden.
    Die Tür fiel krachend ins Schloss.
    Für den täglichen Flug von Kopenhagen nach Bornholm zeichnete die dänische Fluggesellschaft DDL verantwortlich. Die Maschine flog um neun Uhr morgens ab und landete eine Stunde später. Auf einem Flugfeld knapp zwei Kilometer außerhalb von Rönne, dem Hauptort der Insel, wurden Peter Flemming und Tilde Jespersen vom Leiter der örtlichen Polizei begrüßt. Umständlich, als ginge es um die Kronjuwelen, vertraute er ihnen den erbetenen Wagen an.
    Sie fuhren in die Stadt, ein verschlafenes Nest, in dem es mehr Pferde gab als Autos. Die jeweils zur Hälfte mit Holz verkleideten Häuser waren in auffallend kräftigen Farben gestrichen: dunkelsenfgelb, terrakotta, waldgrün und rostrot. Zwei deutsche Soldaten standen auf dem Hauptplatz in der Stadtmitte, rauchten und plauderten mit Passanten. Eine Kopfsteinpflasterstraße führte hinunter zum Hafen. Im Dock lag ein Torpedoboot der deutschen Kriegsmarine. Am Kai standen ein paar kleine Jungen und starrten es an. Gegenüber vom Zoll, ein Ziegelbau und das größte Gebäude der Stadt, machte Flemming den Anlegeplatz der Fähre aus.
    Peter und Tilde fuhren kreuz und quer durch die Stadt, um sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Am Nachmittag kehrten sie wieder zum Hafen zurück. Keiner von beiden erwähnte den Kuss vom Abend zuvor, was Peter jedoch nicht daran hinderte, sich Tildes körperlicher Gegenwart sehr bewusst zu sein: Er roch den Hauch von Blumenduft, den ihr Parfüm verbreitete, sah ihre wachen blauen Augen, den Mund, der ihn mit so drängender Leidenschaft geküsst hatte. Doch daneben stand unverrückbar ein anderes Bild in seinem Gedächtnis: Inge in der Schlafzimmertür – ihr weißes, ausdrucksloses Gesicht ein viel

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