Mitternachtsflut
Marie tat es ihm nach und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Haare. Manolo packte alles zusammen und brachte es zu dem Jeep. Als Marie ihm folgen wollte, hielt er sie zurück. „Warte hier!“ Etwas ratlos blieb sie mitten auf dem Strand stehen und wartete darauf, dass er zurückkam. Er nahm ihre Hand und ging mit ihr zu der kleinen Hütte. Die Hütte stellte sich als kleine Bodega heraus, in der nur eine Handvoll Canarios waren, die Manolo respektvoll begrüßten und ihre Blicke neidvoll über Marie wandern ließen. Er stellte ihr Carlos und seine Frau Santiago vor, die dieses Kleinod gemeinsam betrieben. Sie setzten sich auf die kleine Holzterrasse, auf der nur drei Tische mit jeweils vier Stühlen standen, freier Blick aufs Meer inklusive. Carlos schleppte eine riesige Platte mit frisch gefangenem Fisch heran und Manolo wählte mit Kennerblick die besten und frischesten aus. Kaum eine halbe Stunde später standen die Fische herrlich gegrillt, mit Zitronen und Kräutern verfeinert, gemeinsam mit den kleinen papas arrugadas, den kanarischen Kartöffelchen und köstlichen Saucen auf ihrem Tisch.
Marie genoss dieses wundervolle Essen wie schon lange nichts mehr. Da Manolo nur Wasser trank tat sie es ihm gleich, ihr Kopfschmerzbedarf war noch immer gut gestillt. Man aß hier mit den Händen, was aus der Mahlzeit ein nahezu sinnliches Vergnügen machte.
Nachdem sie, satt und zufrieden, ihre Hände – und Arme - an einem kleinen offenen Brunnen gewaschen hatten, war Marie rundum glücklich.
Doch Manolo hatte noch ein kleines Ass im Ärmel.
Mittlerweile war die Sonne schon fast am Untergehen und so führte er Marie behutsam hinüber zu den Felsen, welche die Bucht am linken Ende abschlossen. Gemeinsam kletterten sie etwa fünf Meter nach oben, um sich auf einer flachen Felsplatte wieder zu finden, die ein wenig über das Meer ragte.
Manolo setzte sich und lehnte sich an den noch warmen Fels. „Komm her!“ Er streckte Marie die Hand entgegen und sie setzte sich so, dass sie ihren Oberkörper an seinen lehnen konnte. Manolo schloss fest seine Arme um sie und meinte nur. „Und nun sieh dir dieses Schauspiel an!“
Vor den Beiden versank die Sonne als glühend orangeroter Ball im blau-silbern glänzenden Meer. Alles, aber auch wirklich alles, war in rotgoldenes Licht getunkt. Marie blieb, im Angesicht von so viel Schönheit, der Mund offen stehen. Sie sprachen nicht, sondern genossen diese unvergesslichen Momente voll stiller Bewunderung. Erst als die Sonne gänzlich verschwunden war und nur noch der Himmel in zartrose erleuchtet wurde, fand Marie ihre Sprache wieder. Sie kuschelte sich an den väterlichen Freund und flüsterte leise: „Danke Manolo, das war traumhaft schön.“ Sie hörte ihn leise lachen. „Ja, du musst ja wohl alle Schönheiten der Insel kennen, du willst ja ein Weilchen hier leben.“ „Ja, das stimmt. Mit ihm und dir hätte ich ja schon mal zwei Schönheiten, aber das hier war auch gar nicht schlecht.“ „Vielen Dank mi hicha! Du verstehst es einen alten Mann aufzubauen.“ Marie kicherte nur still in sich hinein und sog die letzten Eindrücke dieses atemberaubenden Sonnenunterganges in sich auf.
„Vergiss diesen Augenblick nie, wenn du später an mich denkst, versprochen?“ „Versprochen, aber ich hoffe doch, solche Momente noch sehr oft mit dir zu erleben. Ohne dich wäre all das nur halb so schön.“
Manolo schwieg. Er schlang seine Arme noch etwas fester um sie und hielt sie lange liebevoll an sich gedrückt.
Kapitel 14
Berlin, drei Tage später....
Dios mio! Der Alexanderplatz hatte sich, obwohl ihr letzter Besuch in Berlin gerade einmal zwei Jahre her war, schon wieder total verändert. Verflixt nochmal! Mussten sie denn andauernd irgendetwas bauen oder wahlweise abreißen? Marie mochte Berlin, keine Frage, aber die Bauwut der Hauptstadt ging ihr gewaltig auf die Nerven. Sie schulterte ihren Rucksack und eilte zielstrebig zu ihrer Straßenbahn. War ja klar, dass es nieseln musste. Wenn schon Deutschland, dann mal wieder so richtig zum auskosten.
Marie grinste aus dem Fenster der Straßenbahn und dachte daran, wie gut es ihr doch auf der immer warmen Kanareninsel ging. Sie hatte wirklich das große Los gezogen. Zugegeben, sie vermisste ein paar Leute hier, aber es hielt sich in Grenzen. Außerdem konnten sie alle die Lust darauf hatten besuchen. Die Freundin die sie jetzt dann gleich sehen würde, fehlte ihr besonders. Sandra war ein wunderbarer Mensch. Sie
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