Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

gewusst zu haben, manchmal zu viel ... ja, ich sollte überarbeiten und noch einmal überarbeiten, verbessern und noch einmal verbessern; doch weder bleibt die Zeit, noch reicht die Energie. Ich sehe mich gezwungen, nicht mehr als diesen sturen Satz anzubieten: Es geschah so, weil es so geschah.
    Dann ist da noch die Frage der Gewürzgrundlagen. Die Feinheiten von Gelbwurz und Kreuzkümmel, die Zartheit von Griechischem Heu, wann man große (und wann kleine) Kardamome nimmt; die unzähligen möglichen Wirkungen von Knoblauch, Garam masala, Zimtstangen, Koriander, Ingwer ... ganz zu schweigen vom würzigen Beitrag des gelegentlichen Körnchens Schmutz. (Saleem ist nicht mehr auf Reinheit versessen.) Wegen der Gewürzgrundlagen versöhne ich mich mit den unausbleiblichen Verzerrungen des Einlegevorgangs. Einlegen heißt letzten Endes unsterblich machen: Fisch, Gemüse, Obst sind einbalsamiert in Gewürze und Essig; eine gewisse Veränderung, eine leichte Intensivierung des Geschmacks sind doch sicherlich Bagatellen? Die Kunst besteht
darin, den Geschmack in der Intensität, nicht aber der Natur nach zu verändern, und vor allem, ihm (in meinen dreißig und einem Glas) Gestalt und Form – das heißt Bedeutung – zu geben. (Meine Furcht vor dem Sinnlosen habe ich schon erwähnt.)
    Eines Tages probiert die Welt vielleicht die Pickles der Geschichte. Für manche Gaumen mögen sie zu stark sein, ihr Geruch mag überwältigend sein, Tränen können in die Augen steigen; trotzdem hoffe ich, dass man von ihnen sagen kann, sie besäßen den authentischen Geschmack der Wahrheit ... sie seien trotz allem Werke der Liebe.
    Ein leeres Glas ... wie soll es enden? Glücklich, mit Mary in ihrem Schaukelstuhl aus Teakholz und einem Sohn, der zu sprechen begonnen hat? Inmitten von Rezepten und dreißig Gläsern mit Kapitelüberschriften als Etiketten? Melancholisch, in Erinnerungen an Jamila und Parvati und selbst an Evie Burns versinkend? Oder mit den magischen Kindern ... aber sollte ich dann froh sein, dass manche entkamen, oder mit der Tragödie der zersetzenden Wirkung der Dränage schließen? (Denn in der Dränage liegt der Ursprung der Risse: mein unseliger aufgeriebener Körper, oben und unten dräniert, begann aufzureißen, weil er ausgetrocknet war. Ausgedörrt, brach er schließlich unter den Auswirkungen lebenslanger Schläge zusammen. Und nun ist da ein Reißen Fetzen Knirschen, und durch die Risse kommt ein Gestank, der der Geruch des Todes sein muss. Kontrolle: Ich muss so lange wie möglich die Kontrolle behalten.)
    Oder mit Fragen: Nun, da ich, ich schwöre es, die Risse auf meinen Handrücken und die Risse entlang meines Haaransatzes und zwischen meinen Zehen sehen kann, wieso blute ich da nicht? Bin ich schon so entleert, ausgetrocknet, eingelegt? Bin ich schon die Mumie meiner selbst?
    Oder mit Träumen: Denn letzte Nacht erschien mir der Geist von Ehrwürdiger Mutter, starrte durch ein Loch in einer Wolke und wartete auf meinen Tod, damit sie vierzig Tage lang einen
Monsun weinen konnte ... und ich schwebte neben meinem Körper her, sah auf das verkürzte Bild meines Ichs hinab und sah einen grauhaarigen Zwerg, der in einem Spiegel einst erleichtert ausgesehen hatte.
     
    Nein, so geht es nicht. Ich muss die Zukunft beschreiben, wie ich die Vergangenheit beschrieben habe, sie mit der absoluten Gewissheit eines Propheten niederschreiben. Aber die Zukunft lässt sich nicht in einem Glas einmachen; ein Glas muss leer bleiben ... Was sich nicht einlegen lässt, weil es nicht stattgefunden hat, ist, dass ich Geburtstag habe, heute einunddreißig werde, und zweifellos wird eine Heirat stattfinden, und Padma wird Hennamuster auf Handflächen und Fußsohlen und einen neuen Namen haben, vielleicht Naseem, zu Ehren des Geistes von Ehrwürdiger Mutter, der uns überwacht, und draußen vor dem Fenster werden Feuerwerk und Menschenmassen sein, denn es ist Unabhängigkeitstag, und die vielköpfigen Mengen werden auf den Straßen sein, und Kaschmir wartet. Ich werde Fahrkarten in der Tasche haben, und ein Taxi wird von einem Jungen vom Land gefahren werden, der im Café Pionier einst von Filmruhm träumte, wir werden nach Süden Süden Süden ins Herz der turbulenten Massen fahren, die sich gegenseitig und die hochgekurbelten Fenster des Taxis mit Ballons bewerfen, die mit Farbe gefüllt sind, als wäre es das Farbenfestival der Holi; und auf dem Hornby Vellard, wo man einst einen Hund hatte sterben lassen, macht die