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Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtskinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Überflieger in der Marine war, und seine Frau mit ihren teuren Vorlieben; er hatte sein Glück, für sie so billig ein Heim zu erwerben, kaum zu fassen vermocht.
Sie hatten zwei Söhne im Alter von achtzehn und von vier Monaten, die, als sie heranwuchsen, vulgär und rüpelhaft wurden und die Spitznamen Schlitzauge und Haaröl bekamen; und sie wussten nicht (wie konnten sie?), dass ich ihr Leben zerstören würde ... Von William Methwold ausgewählt, zogen diese Leute, die den Mittelpunkt meiner Welt bilden sollten, in die Häuser ein und tolerierten die merkwürdigen Launen des Engländers – denn der Preis war schließlich in Ordnung.
    ... Dreißig Tage dauert es noch bis zur Übergabe der Macht, und Lila Sabarmati ist am Telefon: «Wie kannst du das bloß aushalten, Nussie? Hier sind in jedem Zimmer sprechende Papageien, und in den Schränken finde ich mottenzerfressene Kleider und getragene Büstenhalter!»
    ... Und Nussie sagt zu Amina: «Goldfische, Allah, ich kann die Viecher nicht ausstehen, aber Methwold Sahib kommt persönlich, um sie zu füttern ... und es gibt halb leere Gläser mit Fleischextrakt, die ich nicht wegwerfen darf, sagt er ... es ist verrückt, Amina Schwester, was machen wir hier eigentlich?» ... Und der alte Ibrahim weigert sich, in seinem Schlafzimmer den Deckenventilator anzustellen, und murmelt: «Diese Maschine fällt bestimmt runter – sie wird mir mitten in der Nacht den Kopf abschneiden – wie lange kann etwas so Schweres an der Decke kleben bleiben?» ... Und Homi Catrack, der etwas von einem Asketen hat, muss auf einer großen weichen Matratze liegen, er leidet unter Rückenschmerzen und Schlaflosigkeit, und um die dunklen Ringe der Inzucht um seine Augen zieht die Schlaflosigkeit ihre Kreise, und sein Hausdiener erklärt ihm: «Kein Wunder, dass die ausländischen Herren alle weggegangen sind, Sahib, sie müssen ja danach schmachten, etwas Schlaf zu bekommen.» Aber sie alle halten durch, und neben den Problemen gibt es auch Vorteile. Hören Sie Lila Sabarmati («die – zu schön, um gut zu sein», sagte meine Mutter) ... «Ein Pianola, Amina Schwester! Und es funktioniert! Den ganzen Tag sitze ich da und spiele Gott weiß was! es macht auch so viel Spaß, man braucht nur die Pedale zu treten!» ... Und Ahmed Sinai findet in der Buckingham Villa (in der Methwold selbst wohnte, bevor sie unser wurde) einen Barschrank; er entdeckt die Wonnen eines guten Scotch und ruft: «Na und? Mr. Methwold ist ein bisschen exzentrisch, das ist alles – können wir ihm den Gefallen nicht tun? Wir mit unserer alten Kultur, können wir nicht genauso zivilisiert sein wie er?» ... und er leert sein Glas in einem Zug. Vorteile und Nachteile: «All diese Hunde, die man versorgen muss, Nussie Schwester», beklagt sich Lila Sabarmati. «Ich kann Hunde nicht ausstehen, kein bisschen. Und meine kleine Choochie-Katze, sso ssüß ist ssie, wirklich, absolut verschreckt!» ... Und Dr. Narlikar, vor Gereiztheit glühend: «Über meinem Bett! Bilder von Kindern, Bruder Sinai! Ich sage dir: dick! rosa! drei! Ist das fair?» ... Doch nun dauert es nur noch zwanzig Tage, man lebt sich ein, die scharfen Kanten verwischen sich, sodass sie alle nicht bemerkt haben, was geschieht: Der Besitz, Methwold’s Estate, verändert sie. Jeden Abend um sechs sind sie draußen in ihren Gärten und zelebrieren die Cocktailstunde, und wenn William Methwold sie besuchen kommt, verfallen sie mühelos in die Nachahmung der gedehnten Oxforder Sprechweise; und sie lernen alles über Deckenventilatoren und Gasherde und die richtige Ernährung von Papageien, und Methwold beaufsichtigt ihre Verwandlung und murmelt dabei verhalten. Hören Sie genau hin: Was sagt er? Ja, das ist es: «Sabkuch ticktock hai», murmelt William Methwold. Alles ist gut.

    Als die Bombay-Ausgabe der Times of India auf der Suche nach einem jedermann ansprechenden, zu Herzen gehenden Aspekt der bevorstehenden Unabhängigkeitsfeierlichkeiten verkündete, dass sie jeder Mutter in Bombay einen Preis verleihen würde, die es einrichten könnte, genau zum Zeitpunkt der Geburt der neuen Nation
einem Kind das Leben zu schenken, ging Amina Sinai, die gerade aus einem mysteriösen Traum erwacht war, in dem sie von Fliegenpapier geträumt hatte, Zeitungspapier auf den Leim. Zeitungspapier wurde Ahmed Sinai unter die Nase gehalten, und Aminas Finger, der triumphierend auf die Seite klopfte, unterstrich den

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