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Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtskinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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und hält einen Teller hin. «Nur zu, Mr. S., bitte. Ja, eine merkwürdige Angelegenheit. Habe so etwas noch nie erlebt. Meine alten Mieter – alte Indienhasen, samt und sonders – plötzlich auf und davon. Miserabler Stil. Hat ihnen den Appetit verdorben. Über Nacht. Verblüfft einen einfachen Kerl wie mich. Sah aus, als wollten sie ihre Hände in Unschuld waschen – wollten kein bisschen mitnehmen. ‹Vergiss es>, sagten sie. Nicht knapp bei Kasse, keiner von ihnen, verstehen Sie, aber trotzdem. Komisch. Lassen mich zurück, damit ich den Kopf hinhalte. Dann hatte ich meine Eingebung.»
    «... Ja, entscheiden, entscheiden», sagt Amina erregt, «ich sitze hier wie ein Kloß, mit einem Baby, was habe ich damit zu tun? Ich muss im Haus eines Fremden leben, während dieses Kind wächst, und was kümmert es dich? ... Oh, wozu du mich noch alles bringst ... »
    «Weine nicht», sagt nun Ahmed, der im Hotelzimmer herumflattert.«Es ist ein gutes Haus. Du weißt doch, dass dir das Haus gefällt. Und zwei Monate ... weniger als zwei ... was, rührt es sich? Lass mich fühlen ... Wo? Hier?»
    «Da», sagt Amina und schneuzt sich. «So ein guter, kräftiger Tritt.»
    «Ich stelle mir vor», erklärt Mr. Methwold, während er in die untergehende Sonne starrt, «dass ich meine eigene Besitzübergabe inszeniere. Alles zurücklasse, verstehen Sie? Geeignete Persönlichkeiten auswähle – so wie Sie selbst, Mr. Sinai! –, alles absolut intakt übergebe: tipptopp funktionierend. Sehen Sie sich um: alles in gutem Zustand, finden Sie nicht? Alles paletti, sagten wir immer. Oder wie Sie auf Hindustani sagen: Sabkuch ticktock hai. Alles in bester Ordnung!» «Nette Leute kaufen die Häuser.» Ahmed bietet Amina sein Taschentuch an.
    «Nette neue Nachbarn ... dieser Herr Homi Catrack in Versailles Villa ist Parse, aber Rennpferdbesitzer. Produziert Filme und alles. Und die Ibrahims in Sans Souci; Nussie Ibrahim bekommt auch ein Kind, ihr könnt Freundinnen sein ... und der alte Ibrahim hat riesengroße Sisalfarmen in Afrika. Gute Familie.»
    «... Und danach kann ich mit dem Haus tun, was ich will ... ?»
    «Danach, ja natürlich, er ist ja dann weg ...»
    «... Es hat sich alles ausgezeichnet entwickelt», sagt William Methwold.«Wussten Sie, dass mein Urahn der Mensch war, der die Idee hatte, diese ganze Stadt zu bauen? Eine Art Raffles von Bombay. Als sein Nachkomme empfinde ich in diesem entscheidenden Augenblick die, ich weiß nicht, Notwendigkeit, meine Rolle zu spielen. Ja, ausgezeichnet ... wann ziehen Sie ein? Geben Sie Bescheid, und
ich ziehe ins Taj Hotel. Morgen? Ausgezeichnet. Sabkuch ticktock hai.»
     
    Dies waren die Menschen, unter denen ich meine Kindheit verbrachte: Herr Homi Catrack, Filmmagnat und Rennpferdbesitzer, mit seiner schwachsinnigen Tochter Toxy, die mit ihrer Pflegerin Bi-Appah, der furchterregendsten Frau, die ich je kannte, eingeschlossen werden musste; dann waren da die Ibrahims in Sans Souci, der alte Ibrahim mit seinem Spitzbart und seinem Sisal, seine Söhne Ismail und Ishaq und Ismails winzige flattrige glücklose Frau Nussie, die wir wegen ihres watschelnden Gangs immer Nussie-die-Ente nannten und in deren Leib mein Freund Sonny wuchs, sogar jetzt schon seinem Missgeschick, das er mit einer gynäkologischen Zange erlitt, immer näher rückte ... Escorial Villa war in Wohnungen aufgeteilt. Im Erdgeschoss wohnten die Dubashes, er ein Physiker, der ein führender Kopf in der Kernforschungsanlage von Trombay werden sollte, sie eine Null, unter deren Ausdruckslosigkeit ein wahrhaftiger religiöser Fanatismus verborgen lag – aber lassen wir ihn dort liegen und erwähnen nur, dass sie die Eltern von Cyrus waren (der erst in ein paar Monaten empfangen werden sollte), meinem ersten Mentor, der in den Theaterstücken in der Schule die Mädchenrollen übernahm und als Cyrus-der-Große bekannt war. Über ihnen wohnte der Freund meines Vaters, Dr. Narlikar, der hier ebenfalls eine Wohnung gekauft hatte ... er war so schwarz wie meine Mutter, hatte die Gabe, knallrot zu erglühen, wenn er erregt oder aufgewühlt war, hasste Kinder, obwohl er uns auf die Welt brachte, und sollte bei seinem Tod einen Stamm von Frauen auf die Stadt loslassen, die zu allem fähig waren und jedes Hindernis, das sich ihnen in den Weg stellte, ausräumten. Und im obersten Stock schließlich lebten Fregattenkapitän Sabarmati und Lila – Sabarmati, der einer der größten

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