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Mitternachtskinder

Mitternachtskinder

Titel: Mitternachtskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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seine Brust. Ich schloss die schweren Lider, ließ mich von ihm halten und atmete im Rhythmus seines dumpfen Herzschlags.
    »Nicht einschlafen, Izzy«, murmelte James, und ich schlug die Augen auf. »Ich glaube nicht, dass du einschlafen solltest.«
    »Ich habe nicht geschlafen«, protestierte ich, aber meine Augen fühlten sich klebrig an, und ich hätte nicht sagen können, wie lange sie geschlossen gewesen waren.
    James’ Hände waren über meinem Brustbein verschlungen und drückten mich an ihn. »Dein Herz macht zweihundert Kilometer pro Stunde. Es pocht wie bei einem Kaninchen.«
    Tiere mit schnellen Herzen hatten immer eine kürzere Lebensspanne. Kaninchen und Mäuse und Vögel. Ihre Herzen rasten, so schnell sie konnten, dem Ende entgegen. Vielleicht bekamen wir alle nur eine bestimmte Anzahl von Herzschlägen zugeteilt, und wenn man ein Herz hatte, das doppelt so schnell schlug, dann verbrauchte man sie in der Hälfte der Zeit, die ein normaler Mensch lebte.
    »Gehen wir«, sagte ich.
    »Bist du bereit?«
    »Lass uns
gehen
«, wiederholte ich. Ich wollte es nur hinter mich bringen.

[home]
    James
    H olla. Die Nacht der lebenden Toten«, sagte ich, als wir die ungepflegte Wiese vor der Brigid Hall überquerten. »Oder eher die Nacht der lebenden Streber. Ich wusste ja gar nicht, dass Musikstreber tanzen.«
    Der Campus war wie verwandelt. Von der Wiese vor der Brigid Hall sah es nach einer wüsten Party aus. Zahllose in Schwarz gehüllte Leiber wanden sich zu einem dröhnenden Bass, den ich zunächst nur gerade so hören konnte. Als wir näher herankamen, erkannte ich, dass der hämmernde Bass von irgendeiner angesagten Popgruppe stammte. Man sollte meinen, dass eine Musikschule wenigstens ein paar Livemusiker zusammenkratzen konnte, auch wenn die dann den Mist aus den Top Forty spielten, doch da oben zwischen den Lautsprechern stand ein DJ . Und was aus der Ferne ausgesehen hatte wie ein aufregend koordinierter Hexenkessel, entpuppte sich als Gehweg voll zappelnder Teenager mit zweifelhafter Koordination. Manche trugen Masken, und andere hatten sich tatsächlich die Mühe gemacht, sich richtige Kostüme zu beschaffen. Aber hauptsächlich war das ein Haufen Musikstreber, die zu schlechter Musik herumwackelten. Irgendwie genau das, was ich von Halloween an der Thornking-Ash erwartet hatte.
    »In Augenblicken wie diesen …« Nuala hielt inne und beobachtete einen rundlichen Typen, der an uns vorbeilief und mit einem Paar Plastiktitten verkleidet war. »… frage ich mich, ob ich wirklich ein Mensch sein möchte.«
    Ich führte sie von einem Mädchen in einem Ding weg, das wohl ein sexy Katzenkostüm sein sollte. »Ich auch. Wie fühlst du dich?«
    »Wenn du mich das noch einmal fragst, bringe ich dich um: So fühle ich mich«, entgegnete Nuala milde. »Hast du das jetzt verstanden?«
    »Verstanden.« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und suchte nach jemand Nützlichem. Oder zumindest jemandem, den ich erkannte. Anscheinend war die Population der Schule um das Fünf- oder Zehnfache gewachsen, während ich gerade nicht hingesehen hatte. Ich versuchte, meine Stimme locker klingen zu lassen. »Sullivan hat gesagt, dass wir uns bei dem perversen Satyr treffen sollten. Am besten gehen wir zuerst zu ihm, oder?«
    »Ich habe keine Ahnung, verdammt. Woher sollte ich das wissen?«
    »Weil du das schon mal gemacht hast?«, erwiderte ich. Sie warf mir einen finsteren Blick zu. »Na gut. Suchen wir Sullivan.«
    »Oder Paul«, fügte Nuala rasch hinzu.
    Ich fragte mich, was Cernunnos Paul gesagt haben mochte. »Oder Paul.«
    Wir drängten uns durch die Menge, eine einzige schwarze Masse im trüben orangeroten Lichtschein der Herbstfeuer. Ich stank immer noch nach Cernunnos’ seltsamem Parfüm, aber trotzdem nahm ich einen merkwürdigen Geruch wahr, der über den Schülern hing. Kräuterartig. Irgendwie bitter-süß-erdig. Er erinnerte mich an den Sommer und brachte mich auf die Frage, ob einige der Gesichter hinter diesen Masken vielleicht nicht menschlich waren.
    Nuala sprach aus, was ich dachte. »Wessen Party ist das eigentlich?«
    Ich hatte angenommen, dass die Feen an Halloween feiern würden. Aus irgendeinem Grund war ich allerdings davon ausgegangen, dass sie auf ihren Hügeln bleiben würden.
    »Sullivan!«, bellte Nuala hinter mir.
    Und da war er, und er machte ein grimmiges und zugleich entschlossenes Gesicht. Schnurstracks kam er auf uns zu. »Wo zum Teufel wart ihr denn?«, fragte er freundlich.
    »Wir

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