Mitternachtslöwe (German Edition)
schmerzte es und Sophia zuckte zusammen. Ein warmer Schwall erfasste sie. Als sie die Augen öffnete stand sie fest und sicher in einem ovalem Zimmer aus blauen, fließendem Gestein, wo die Familie sie schon erwartete.
Sophias Vater schloss sie mit erleichternden Tränen in die Arme. So sehr genoss sie seine warme Nähe, wäre dies der Moment gewesen in dem sie sterben sollte, sie hätte es geschehen lassen, glücklicher konnte sie nie wieder sein, dachte sie.
»Ein törichter Narr war ich, zu glauben ich könnte euch mit Zauberei erreichen!« Etwas beschämt schaute ihr Vater drein und plötzlich machte sich eine schleichende Furcht in ihm breit, die Sophia noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Er erzählte, wie die gefiederte Brut des Generals mit Tobsucht den Tod in ihre Heimat trugen. In Sophias Magen wuchs ein Teufelchen heran, ein fieses, kleines Miststück, das ihr mit dem Dreizack in den Bauch stach. Die eigene Heimat, ihr Refugium seit jeher, verloren?
»Aber...«, ihr Vater geriet ins Stocken, »Ihr solltet genauso wenig wie ich hier sein. Was ist geschehen? Sagt, die Schätze...«
Als sie dann die Schätze hervorholten fing ihr Vater an zu weinen. Zitternd und mit Ehrfurcht lies er seine Finger hinüber gleiten.
»Der... der Löwe«, flüsterte er, als könnte sie eine trügerische Macht belauschen, »Nun können wir ihn erwecken! Aber bitte, erzählt mir alles!« Gespannt lauschte er den Erzählungen ihrer Reise, wie sie gemeinsam dem Regime Aug in Aug trotzten. Es war wie eine der Geschichten ihres Vaters selbst, nur dass Sophia diesmal die Erzählerin war.
Ihr Vater schmunzelte. »Du redest ja schon genau wie ich.«
Als ihr Vater jedoch hörte, dass Byrger der eigentliche Schaffer der Schätze und der Löwe mehr nur eine Geschichte sei, sanken tausende Jahre des Alters auf ihn zurück. Eine breite Enttäuschung schwebte in seinen Augen, herbei geweht von Unverständnis.
»Geschichte oder nicht«, sprach Byrger, »Die Schätze sind real und wir haben sie gefunden. Du hast uns das erst ermöglicht, Johannes, und mit dir an unserer Seite werden wir die Geschichte des Löwen in wahre Taten umsetzten. Wir schüren das Feuer mit unserem Glauben, mit unserer Kraft und der Löwe soll scheinen und Licht werfen, selbst bis hier ins Land von Trul.«
Erneut fand die Jugend zu Sophias Vater zurück. Wie ein junger Spund sauste er herum. »Du hast wie immer recht, Byrger. Dann lasst uns von hier verschwinden und den Löwen wecken!«
Trul, wo die Stunde der Wölfe ewig wärt. Das ewige Gefängnis für jene, die sich mit den Mächten der Magie nicht zu messen wissen. Niemand der je dieses Land betrat, fand je zurück in die wahre Welt, so die Legende. Sophia hatte gut bei ihrem Vater gelernt. Doch was kümmerten sie Legenden, sagte ihr Vater. Wenn jemand diesem bitteren Ort entfliehen konnte, dann sie, sagte er stolz.
Sophias Vater rannte voraus, wie ein verlorenes Zebra das sich endlich an den Weg nach Hause erinnerte. Auf einem windigen Felsplateau, sicher vor den Wächtern Truls, warteten sie. So gerne hätte Sophia mit ihm geredet, sich ihren Kummer neu an seiner Schulter ausgeweint. Bei den ganzen Worten über ihre Reise bliebt eins der wichtigsten unausgesprochen. In schmerzlichem Zweifel versteckte Sophia sich unter dem Mantel ihres Vaters und grübelte über ihre Tochter. Sie sah ihren Vater an und sah sich selber, sah die Liebe die sie verband und sie immer halten würde. Wohin geht die Liebe, wenn dieses Band reißt, fragte sie sich, wo fließt sie hin...
»Das grenzt an Wahnsinn, alter Freund«, sagte Byrger wieder in die Sachlichkeit zurückgehend. »Wärst nicht du es, der uns leitet – niemals würde ich es wagen dort durchzugehen.«
Auf der endlosen Eisebene am Fuße des Plateaus, weit im Westen, weiter als alle Horizonte der weitesten Welten reichten, tat sich ein Schwall magischen Plasmas auf. In Materie geformte, pure Magie floss über die Ebene hinweg. Der Strom erzeugte einen singenden Ton, ein mächtiges Rumoren, welches allein Sophia eine Gänsehaut bescherte. Schnell füllte das Plasma das ganze Feld bis in den Osten hinein, sodass ein Meer aus pinker Schaumcreme vor ihnen lag. Eine fluffig, trügerische Mischung aus Leid und Tod, kam man ihr zu nahe.
»Eilt euch!«, rief ihr Vater, »Sobald der Strom abreißt, müssen wir das Feld durchqueren. Packt euch bei den Händen, lauft so schnell wie ihr könnt, aber seht sie nicht an! Sie werden versuchen uns mit Trugbildern davon
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