Mitternachtslöwe (German Edition)
nun wisst ihr nicht was weiter geschieht?«, sagte Abaris unfreundlich.
»Ich weiß jemanden den wir fragen können«, sagte Sophia.
»Ja genau, der Verrückte der sich das alles ausgedacht hat, wird uns sicher weiterhelfen können.«
»Wollt Ihr Euch immer nur streiten? Wir haben die drei Schätze, wie viel Beweise wollt Ihr noch?«, sagte Byrger streng, »Seht Euch Euren Bogen an. Glaubt Ihr das sei ein Witz, der Scherz eines Geisteskranken? Wir gehen zu Paracelsus und lassen uns von ihm leiten. Dort vorne ist Licht, sieht nach einem Ausgang aus.«
Innerlich war Byrger das Mosern von Herrn Abaris gehörig leid. Wie oft würde er noch vom beschriebenen Weg abweichen? Gewiss, die Schätze waren ihnen sicher, doch welche Mühen ihnen das Erwecken des Löwen bereitete, stand noch aus. Hier würde ihr Zusammenspiel als Gemeinschaft mehr den je gewichtig. Schnell jedoch legte Byrger dieses Denken beiseite. Er dachte an seine Familie. Langsam wurde ihm klar, dass bald sein Teil an dieser Weltgeschichte geleistet war und er nach Hause zurückkehren konnte, sofern er in der Lage sei einen entsprechenden Zauber zu wirken. Aber nun besann er sich auf den Löwen, ein freudiges Ereignis, dessen Ankunft, welches sie jetzt beschwören wollten.
Die Kornmuhme fegte auf ihrem Besen über das Feld und kicherte lauthals durch den Wind. Das Gras der endlosen Ebene lag dürr und trocken vor ihnen, als sie dem Gewölbe inmitten des Herzen einer kleinen Bauminsel entstiegen. Neugierig blinzelte die Sonne auf sie herab und lies aus den verdorrten Halmen ein Meer aus Gold entstehen. Die Muhme pfiff vorbei und legte das aurumne Gewässer in rauschende Ruhe. Das Gefühl einer dieser nie enden wollenden Sommertage, die man nur als Kind erleben kann, brauste mit ihr davon.
»Leo, soll dein Gebrüll uns vielleicht erschrecken, gleichwohl die ganze Welt erwecken?«, rief jemand aus den Wogen. Es war Paracelsus, der durch die goldene Ebene schwamm.
Abaris, ungestüm, brachte wieder seine Hitzigkeit zum Ausbruch. »Hört auf mit diesem Gewäsch! Verrückter Mann«, Abaris packte Paracelsus am Kragen und rüttelte ihn, »sagt, dass ich nicht umsonst tausende Meilen gereist bin! Was ist mit dem Löwen, gibt es ihn nun und kann er den General und das Regime vernichten?«
Schlagartig verschwand der Wahn aus Paracelsus Erscheinung. Sein plötzlicher Wandel erschrak Abaris dermaßen, dass er zurückwich. Klar und deutlich, wie ein Regenschauer am Fenster, perlten seine Worte auf sie nieder:
»Der Schrecken eines Tyrannen geht weniger von seinem Wesen als von den Taten die jene begehen, die ihm folgen, aus. Sie sind es, die Ihr bekämpfen müsst, Abaris Eiwar, Luftwanderer aus dem Süden. Habt Ihr immer noch nicht diese Lektion gelernt? Die Geschichte des Mitternachtslöwen erfüllt sich, jetzt gerade und nur deswegen, weil Eure Freunde den Zeilen folgen, weil sie daran glauben.« Paracelsus schritt auf Byrger zu und fuhr vor ihm mit der Handfläche durch die Luft. »Geist führt...« Er ging zu Abaris. »Körper kämpft...« Zu Sophia. »Seele liebt. Ich tat, was Ihr mir aufgetragen habt, Meister Tidesson. Die Schätze werden nach Euren Vorstellungen geschaffen werden, sobald Ihr in Eure Zeit zurückkehrt. Ihr werdet es sein, in der Vergangenheit, Eurer Zeit. Ihr als Schöpfer der Runen erkanntet die Notwendigkeit, die Bedeutung jener Zeiten heute und werdet die großen Runensteine schaffen, damit die Schätze zutage gefunden werden konnten. Ich war nur euer Gehilfe und hielt die Erinnerung an Euer Werk wach, indem ich vom Löwen erzählte.«
Byrger traf es wie ein schauriger Schrei in tiefster Nacht. »Was? Ihr wollt sagen, dass ich jener bin, der die Schätze schuf?« Byrger nahm seinen Hut ab. Seine Gedanken fühlten sich beklemmt, brauchten Platz. »Aber die Schätze... wir nennen alle drei unser Eigen... Wozu all dies?«
»Albernes Zauberergeschwätz!«, Abaris raste, »Der General muss sterben! Und wenn es kein Löwe tut, so werde ich es tuen. Endgültig!«
Byrger wurde wütend und verbarg dies nicht weiter. »Es ist eine Plage mit Euch! Wieder und wieder rennt Ihr mit dem Schwert voran in Euren eigenen, sinnlosen Tod!«
Auch Sophia mischte sich zornig ein. Alle Vernunft war abgelegt. Gegeneinander wetterten sie ein verbales Massaker nieder.
»Sie sind noch nicht so weit«, murmelte Paracelsus sich selber zu und ungetrübt, gar zu vollkommen, sprach er seinen Vers:
Getäuscht von bösen Geistern und Dämonen,
missbrauchten
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