Mitternachtslöwe (German Edition)
zerschmettern. Sie waren ihr gleich. Sophia suchte nur „ihn“. Und sie bekam ihn. Im Herzen der Schlacht, wo Tod und Leben sich gegenüberstehen, wartete Vitus. Sophia ballte all ihren Schmerz zusammen und ließ ihn auf Vitus los. Doch der wand sich geschickt, zog seine Donnerbüchse und drückte ab.
»Deine lächerlichen Apparaturen können mir nichts anhaben!«
»Dir vielleicht nicht«, rannte über seine geschwollenen Lippen, »Aber deinen Liebsten!«
Als Sophia sich umdrehte stand Abaris vor ihr. Bogen und Pfeil erloschen, sanken zur Erde, so wie Abaris selbst. Sophia rannte zu ihm und bettete seinen Kopf auf ihren Schoß. »Nein Abaris, nicht jetzt wo wir so weit gekommen sind!«, schrie sie ihn aus weinender Wut an. Da wurde es Sophia klar. Es gab immer noch einen Schatz der unberührt war.
»Nein«, fieberte Abaris und drücke die Ampulle von sich weg, »Dieses Mal kann auch Zauberei mich nicht retten... Bewahre es auf, du weißt für wen. Rette sie , anstatt meiner. Sophia, ich glaube an dich. Ich kann die Sonne fühlen, das warme Licht, es kommt von dir und erfüllt mein blutendes Herz mit Liebe. Lass mit dieser Liebe das ganze Land erleuchten.« Und Abaris' Augen sangen das endlose Lied des Fährmanns.
Sophia flammte erneut auf, ohne Hass ohne Zorn.
Vitus wich zurück, ließ seine Waffen fallen. Angst durchströmte ihn. »Hexe!... bitte nicht... Verschmoren sollst du!... nein lass mich... Hass auf ewig!... bitte nein...«
»Tod wäre ein Segen für dich«, flüsterte Sophia, »Folter, ein Geschenk. Gefangenschaft, ein anzunehmender Preis. Doch ich«, sie knirschte mit den Zähnen, »werde etwas mit dir anstellen, zu dem nicht einmal du fähig wärst.«
Der Glanz des Löwen erhob sich. Sophias Leuchten durchdrang Vitus' Körper und nahm ihn ein. Es breitete sich aus auf die Ebene, kroch durch das Tal entlang der Berge. Die Soldaten des Regimes kauerten sich zusammen, die klirrenden Maschinen verstummten. Vitus fiel zu Boden. Splitternde Ruhe kehrte ein in das Tal, wie am ersten Tag der Zeit, als die Welt begann zu atmen.
Sophias Vater und Byrger riefen jubelnd aus der Ferne und Tanzten. Diese zwei alten Männer tanzten wie kleine Burschen im Reigen und lachten und feixten. Doch als sie Sophia trauernd bei Abaris am Boden fanden verstummte ihr Siegessang.
»Das Opfer für die Liebe bringt der Körper«, sagte ihr Vater bedenklich, »Doch es ist noch nicht getan, so fürchte ich. Sein Opfer wird erst gerecht, wenn der Löwe über den Adler obsiegt. Sag, Löwe aus Mitternacht, was wirst du tuen?«
Sophia blickte verstört zum Turm des Generals. Ihr eben noch glühendes Herz schrumpfte zu einem kleinen, bedauerlichen Ding. »Das richtige, hoffe ich.«
»Töte ihn«, krächzte eine stimmlose Gestalt am Boden. Es war Vitus, sabbernd, der versuchte sich in die Höhe zu stemmen. Byrger und Sophias Vater machten sich zum Angriff bereit.
»Nein lasst ihn! Er ist keine Gefahr mehr für uns oder irgendjemanden.« Bemitleidend sah sie Vitus an. »Ich habe ihm die Wahrheit gezeigt.«
»Bring es zu Ende. Der General... du musst ihn töten, es geht nicht anders. Sein Werk ist das Übel.« Vitus keuchte. Alle Bosheit war ihm genommen. Selbst sein hasszerfleischtes Gesicht sah nicht mehr erschreckend aus, ja beinahe menschlich. Er wand sich auf dem Boden, wie ein gestrandeter Fisch in der Wüste. »Nehmt mich mit zu ihm, bitte. Ich will die Bestie sehen, der ich mein Leben lang kopflos gefolgt bin.« Er versuchte sich an Sophias Beinen emporzuhieven, doch Sophia machte einen Schritt zurück.
»Auch wenn dein Wahnsinn von Vernunft gelegt ist, werde ich dir nie verzeihen was du mir und meiner Familie angetan hast!«
Vitus wimmerte, bettelte und weinte. Der Anblick war fürchterlich für Sophia, ebenso wie Vitus' Wesen es noch vor wenigen Sekunden gewesen war.
»Steh auf«, sprach Sophia rüde. »Steh auf!«, schrie sie. Vitus rappelte sich zusammen und wischte sich die Tränen weg. »Du willst Wiedergutmachung? Dann tuest du gut daran uns zu helfen und den General zu entmachten. Also, bist du willens genug dies zu tun?«
Vitus griff zu seiner Waffe, lud durch und salutierte vor Sophia. »Auf immer Euer Diener, Herrin!«
Mit titanischem Geschrei stürmten sie den Turm. Ihr Kampfgebrüll wehte durch die lange Halle. Die Kraft von hundert Mann pumpte durch ihre Venen. Vorbei an Säulen aus Knochen, über Boden aus gegossenem Blut, hoch in das oberste Zimmer des Adlerhorst stürmten sie.
Es stand leer.
»He,
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