Mitternachtslöwe (German Edition)
Mühsam versuchten sie gegen die tobenden Gewalten der See anzukämpfen und den Kurs zu halten.
Sophia stolperte über die Planken auf Abaris zu, der sich am Tauwerk festzuhalten versuchte. Da überwältigte sie eine mannshohe Welle und spülte sie über das gesamte Deck. Im letzten Moment ergriff er ihre Hand und zog sie wieder hoch.
Byrger mühte sich dem Wind entgegenzulaufen, seinen Hut fest auf den Schädel pressend. »Wir sollten unter Deck gehen, hier stehen wir nur im Weg.«
Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und suchten in der kleinen Kajüte des Kapitäns Schutz. Über ihnen krawallte Höllenlärm. Das Holz des Rumpfes knirschte und knackte, als schrie es kurz vor dem Zersplittern um des Meeres Herren Gnade.
»Das fängt ja viel versprechend an«, sagte Abaris merklich bemüht seinen ironischen Humor selbst in dieser Situation beizubehalten.
Sophia wollte gerade antworten, als die Balken über ihnen der Kraft des Sturms nicht mehr standhielten. Sie zerbarsten in tausend Stücke die, wie ein Regen kleiner Pfeile, auf die drei niederprasselten. Abaris schrie laut auf, als sich unzählige Splitter tief in seinen Rücken bohrten.
Sophia wollte zur Seite springen, um sich von den herabfallenden Trümmern in Sicherheit zu bringen, doch erwischten sie einige der hölzernen Geschosse am Oberschenkel. Ihr Bein knickte ein und sie stürzte zu Boden. Einer der Balken fiel herab und riss auch Byrger nieder. Dort wo sich über ihren Köpfen einst das Deck befand klaffte jetzt nur noch ein großes Loch. Der Himmel zürnte weiter gegen die Hilde und sandte einen zuckenden Finger nieder. Der Blitz schlug in den Mast ein, der darauf brennend einknickte und den Rest der Schwarzen Hilde entzwei schlug. Wasser drang von allen Seite in die Kajüte. Die Planken unter ihren Füßen lösten sich, das ganze Schiff brach auseinander.
Mit donnerndem Gelächter gebot Njörd, Herr über Meer und Ozean, der rauen See alles und jeden zu verschlingen der es gewagt hatte sich törichter Weise seiner Gewässer auszusetzen. Verloren im Sturm eines brausenden Gottes trieb Sophias Körper, kraftlos, schlaff und kalt.
Keuchend und hustend erwachte Sophia aus einem ungewolltem Schlaf, spuckte Wasser, das ihr die Luft zum Atmen nahm. Meeresrauschen drang an ihr Ohr und der Geruch von Salz brannte in ihren Lungen. Beim Versuch sich aufzusetzen, krallte sie ihre Hände in den sandigen Boden, fand jedoch keinen Halt, sodass sie wieder hinfiel. Sophia versuchte es noch einmal und nur mit viel Mühe schaffte sie es sich aufzusetzen. Ihre klitschnasse Kleidung lies sie am ganzen Körper erzittern.
Ihr Bein schmerzte fürchterlich. Es war blutüberströmt und einige Splitter stecken noch immer darin. Sophia biss die Zähne zusammen und zog die Leidensbringer rückartig heraus. Mit ein paar Fetzen ihrer Hose band sie die Wunden fest ab, um wenigstens die Blutungen zu stillen. Ihre Sicht wurde wieder klarer und langsam kamen auch die Erinnerungen der Geschehnisse an Bord der Schwarzen Hilde wieder.
Die See hatte sie an Land gespuckt und sich in ein plätscherndes Wässerchen verwandelt. Nur in der Ferne, auf hoher See, erkannte Sophia noch die finsteren Wolken von denen ein tiefes aber ruhiges Grollen ausging. Das Ufer war nicht sehr breit und schon nach wenigen Schritten erhob sich eine mächtige Düne, hinter welcher der weiße Sand üppigem Gestrüpp und dichtem Laubwerk wich.
War sie wieder aufs Festland gespült worden? War dies eine der unzähligen Inseln vor Schweden? Oder ist dies sogar schon das Deutsche Reich? Was ist mit Abaris, Byrger und der Schiffsbesatzung? Haben sie den Sturm überstanden? Fragen, aber keine Antworten.
Die Sonne stand schon tief. Sophia entschloss sich umzusehen, in der Hoffnung auf eine Stadt, ein Dorf oder ein Lager zu stoßen.
Ohne ein wärmendes Feuer überstehe ich die Nacht in den nassen Klamotten nicht.
Über eine Stunde kämpfte sich Sophia vergebens durch das Dickicht, erklomm Sanddünen, welche die Landschaft nahe des Meeres prägten, durchschritt Erdmulden und stolperte über Felsenmeere. Auf einem kargen Plateau konnte sie einen Teil des Landes überblicken. Wald, Dünen und Sandstrand. Außer ein paar Robben, die sich auf einer Sandbank vor der Küste rekelten, bot der Ausblick Sophia nichts Neues. Und nicht die geringste Spur ihrer Begleiter oder einer Siedlung. Selber ein Feuer zu entfachen, schien unmöglich. Die Jahreszeit hatte dafür gesorgt, dass nicht ein Ast als Brennholz
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