Mitternachtslöwe (German Edition)
zurückhalten. Ihr gehorsamer Geist entschwand aus ihrem Körper, griff verzweifelt nach dem eigenen irdischen Sein, doch der Hass riss ihn aus seiner Hülle fort.
»Ich bin nicht Sophia. Ich bin Lilith«, sprach sie mit einer Stimme, alles andere als mädchenhaft, rau und bedrohlich.
Ohne Mühe drückte Lilith die Krallen zusammen, verdrehte sie, bis sie knackten. Die Sirene ließ von ihrer Beute ab, fuhr zurück, krächzte vor Schmerz aus vollem Hals. Lilith hob ihre Hände zum Himmel. Langsam begann ihr Körper sich vom Boden zu erheben, schwebte über den Köpfen der verschreckten Vöglein. Wie kleine Küken kauerten sie sich zusammen und zitterten vor Angst vor dem auf einmal gar nicht mehr wehrlosem Menschenmädchen. Mit ungestümer Wollust ging Lilith an, diesen Kreaturen ihre verdiente Strafe zu erteilen. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, ging eine der Sirenen nach der anderen mit einem lauten Zischen in Flammen auf. Dem Ende entgegen schreiend, liefen sie wild durcheinander, stecken sich gegenseitig und das Lager in Brand. Der Schnitter schwang freudig in Lilith' Namen seine Sense, machte seine Arbeit gut.
Die Luft füllte sich mit dem Geruch von verkohltem Fleisch. Brennende Federn wirbelten durch die Nacht. Stille kehrte ein. Lilith sank von ihrem luftigen Thron zur Erde nieder, auf die in aschgrau bedeckte Lichtung. Nicht einmal Knochen blieben übrig. Inmitten der zahlreichen Häufchen aus Asche sackte Sophia zusammen. Sie verlor sich in Tränen und kurz bevor sie in Ohnmacht fie,l flüsterte Abaris noch in ihr Ohr: »Ich dache ich würde dich nie wieder sehen.«
So muss es sich anfühlen eine Wolke zu sein.
Sophia erwachte aus einem tiefen, erholsamen Schlaf und fühlte sich sowohl munter als auch frisch. Sie rieb sich die Augen, um den restlichen Schlaf zu vertreiben. Sie lag auf einem frisch bezogenem Bett, dessen Wäsche den Duft einer wohligen Sommerwiese versprühte. Das Bett stand in einem kleinen Zimmer mit hellen Wänden und außer einem kleinen Nachttisch mit einer Kerze darauf gehörte nur noch ein Stuhl, auf dem ihre Kleider lagen, zur Einrichtung. Direkt am Bett befand sich ein großes Fenster. Es gab einen wunderbaren Blick auf das nahe liegende Meer. Einige Seemöwen kreisten auf der Suche nach Futter in einiger Entfernung über dem felsigen Ufer. Sophia atmete tief ein. Die klare Meeresluft fegte ihren Kopf frei. Sie erinnerte sich an das was geschehen war, doch inmitten dieses schönen Augenblicks kam es ihr vor, als wäre all das nur ein Traum gewesen.
Es klopfte an der Tür. Byrger trat nach Sophias Aufforderung zum Reinkommen hinein. »Guten Morgen Sophia. Wie geht es dir?«
»Danke, ich habe sehr gut geschlafen.«
Byrger nickte. »Herr Abaris hat dein Bein mit seinem Stab versorgt. Wirklich außergewöhnlich. Schmerzt es noch?«
Sophia warf einen Blick unter die Bettdecke. Die Wunden waren komplett verheilt. Es waren noch nicht einmal Narben zu erkennen. »Alles in Ordnung.«
Ein weiteres Mal klopfte es. Die Tür öffnete sich. Zögernd streckte Abaris seinen Kopf durch den Spalt. »Darf ich eintreten?«
»Ja komm rein«, antwortete Sophia mit einem Lächeln.
»Wie geht es Euch?«
»Ihr seid alle so um meine Gesundheit bemüht...«, lachte Sophia, »Es geht mir hervorragend, danke.«
»Nun ja, letzte Nacht sah das nicht so aus.«
»Herr Abaris«, begann Byrger in scharfem Ton, »ich hatte Euch doch gebeten dieses Thema sein zu lassen.«
»Schon gut, Byrger«, besänftige ihn Sophia, »Er hat ein Recht darauf zu erfahren was passiert ist. Aber dazu vielleicht später. Zunächst sagt mir, wo sind wir und gibt es hier etwas zu frühstücken? Ich bin am verhungern.«
»Wir sind in einem kleinen Dorf, dem einzigen Dorf um genau zu sein, auf Gotska Sandön, einer kleinen Insel nördlich Gotlands. Die Ansässigen haben uns sehr nett empfangen. Frühstück gibt es nicht, denn es ist schon Mittagszeit und das Mittagessen steht auf dem Tisch«, sagte Byrger auf seine stets präzise Art und Weise.
»Hört sich gut an. Dann verschwindet nun, damit ich mich anziehen kann.«
Sophia zog ihre frisch gewaschenen Sachen an und begab sich nach draußen. Vor dem Haus traf sie Matte der sie zu den anderen brachte. Zusammen speisten sie bei einer Familie, die sich um die Versorgung ihrer Gäste kümmerte. Natürlich gab es Fisch, dazu Kartoffeln und Gemüse. Doch Sophia war es gleich was es gab. Selbst der bitter-saure Geschmack von Surströmming hätte Sophia den Appetit
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