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Mitternachtslöwe (German Edition)

Mitternachtslöwe (German Edition)

Titel: Mitternachtslöwe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Langenkamp
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vor langem entsagt.«
    In großen Schritten kam Kapitän Smög vom Wasser auf sie zu, in der Hand eine Flasche Rum aus der er einen ordentlichen Schluck nahm. »Wir könn dann in See stechen. Hoffentlich ohne weitere Überraschungen. Stoff für neues Seemannsgarn ham wir ja erstmal genug.«

Odilo
    Mit starrem, kaltem Blick durchbohrten die Augen des Generals Sophias Kopf. Der oberste Befehlshaber des Regimes stand einfach nur da und blickte auf sie herab. Obwohl sein Gesicht wie vom Schatten verborgen und völlig im Schwarz verschwamm, spürte Sophia, dass es nur ein einziges Gefühl durchzog: Verachtung.
    Auf seiner Generalsmütze prangte das silberne Adleremblem, das Symbol des Regimes. Seine ganze Erscheinung glich der eines Geistes, schleierhaft, kühl, schon fast dämonisch. Ein Gefühl von großem Unbehagen machte sich in ihr breit, was schnell darauf zu Verzweiflung umschwank, bis Sophia schließlich in Angst ausbrach. Sie versuchte den Blick abzuwenden, doch egal wo sie hinsah, die finstere Gestalt wich nicht aus ihrem Blickfeld. Sie schloss die Augen, doch die Bilder lagen auf ihren Lidern. Sie hörte etwas. Das Schlagen von Flügeln, das Krächzen eines Raubvogels. Ein Kirchturm hoher Adler schlug seine mächtigen Schwingen und hielt genau auf sie zu. Sein pechschwarzes Federkleid sah aus, wie von Teer getränkt, triefend und zerzaust. Die leblos, leeren Augenhöhlen registrierten jede noch so kleine Regung seiner Beute. Mit weit aufgerissenem Schnabel stürzte sich der Jäger auf sein Opfer hinab.
    Sophia fühlte nichts.
     
    Mit einem Ruck schreckte Sophia hoch. Schweiß lief ihr die Stirn entlang und ihr Herz machte einen Sprung, als hätte es zum ersten Mal zum Schlagen angesetzt. Sie fühlte sich matt und niedergeschlagen, gerade so, als hätte sie jemand gewaltsam aus dem Tiefschlaf gerissen. Sie ging an Deck, um frische Luft zu schnappen.
    Der kleine Segler schaukelte ruhig hin und her. Eine leichte Briese wehte Sophia durchs Gesicht, um sich dann im Segel zu verfangen und es aufzupusten. Durch den dichten Dunst des Morgens erkannte sie in der Ferne schon die Umrisse vom Festland.
    Byrger saß, mit seinem Hut auf dem Schoß, auf einem zusammengerollten Tau. Sophia setzte sich neben ihn.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Byrger.
    »Ja.«
    Sie brauchte nicht zu erzählen, dass sie unruhig geschlafen und eine Vision hatte. Sie kannten sich seit Sophias frühster Kindheit und obwohl Byrger bei anderen Leuten auf den ersten Blick eher den Eindruck eines nicht besonders feinfühliger Mensch hinterließ, betrachtete Sophia ihn immer wie einen liebevollen Onkel. Byrger kannte ihr Leiden, doch behandelte er sie nicht wie ein kleines Mädchen, sondern stets mit allem Respekt gegenüber der Bürde der sie erlag. Sophia bereitete es Mut, dass er ihr auf ihrer Reise zur Seite stand.
    Der Wind frischte auf und der Segler nahm an Fahrt zu. Sophia wickelte sich in ihren Umhang. Schon bald würden sie sich auf Feindesland begeben. Soweit sie wusste unterlag Lübeck, als eine der wenigen größeren Städte im Norden des Deutschen Reichs, noch nicht dem Regime. Doch gerade wegen des Hafens war zu vermuten, dass dies wohl nicht mehr lange dauern konnte. Innerlich hoffte Sophia, dass ihr Traum, eine Begegnung mit dem General des Regimes, auch nur ein Traum bleiben würde.
     
    Obwohl das Wetter umschlug und sich nun der Winter wieder von seiner kältesten Seite zeigte und Regen sowie Hagel um sich schlugen, erreichte der Segler sicher den Hafen Lübecks.
    Die drei beschlossen sich erst einmal umzusehen. Sie brauchten eine Unterkunft, Wegzehrung für die lange Strecke und möglichst bald eine Kutsche, die sie nach Ulm bringen würde. Byrger verwaltete ihre Reisekasse. Er verteilte ein paar Münzen an Sophia und Abaris, bevor sie sich aufteilten.
    Sophia war für die Beschaffung des Proviants herangezogen worden. Direkt am Hafen versuchten Fischer verzweifelt ihren mickrigen Fang zu verkaufen. Makrele, Dorsch und Hering waren das einzige was Sophia in den dürftigen Auslagen der Fischer vorfand. Von dem Gestank, den die ehemaligen Meeresbewohner ausdünsteten, wurde Sophia ganz flau im Magen. Sie sahen matschig, irgendwie blass und völlig verschrumpelt aus.
    Eine Weile streifte Sophia durch die leeren Gassen Lübecks. Die wenigen Leuten denen sie begegnete mieden jeden Blickkontakt und gingen zügig an Sophia vorbei. Schließlich traf Sophia auf eine alte Dame, die soviel Anstand besaß mit ihr ein paar Worte zu wechseln.

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