Mitternachtslöwe (German Edition)
übrigen, trat an den Rand. »Wirklich bemerkenswert«, sprach Vitus, »Ich bin sehr beeindruckt.«
»Befiel diesem Monster aufzuhören!«, schrie Sophia ihn unter Tränen an.
Vitus ignorierte sie. »Ihr verschwindet auf wundersame Weise, steckt mein Lager in Brand, stehlt meine Pferde... Eigentlich sollte ich stinksauer sein. Zu schade, dass ihr sterben müsst, aber ihr hattet genug Gelegenheiten euer Leben zu bewahren. Und du«, riss Vitus seine Stimme runter und zeigte auf Odilo, »Um dich werde ich mich persönlich kümmern. Niemand hintergeht mich, vor allem nicht so eine Made wie du!«
»Mach was sie gesagt hat und pfeif dieses Monster zurück!«, brüllte Odilo ihn an und richtete seine Büchse auf Vitus.
Doch der begann nur laut zu Lachen. Mit einem Fingerzeig richteten seine Soldaten ihre Büchsen auf sie.
»Na los, schieß!«, bat Vitus ihn schon fast freundlich, »Glaubst du eure Überlebenschancen steigen wenn du es tust?«
»Nein, deine aber auch nicht«, sagte Odilo und brachte seine Büchse zum Knallen.
Vitus taumelte, hielt sich die Hand auf die Brust. »Knallt sie ab!«, schrie er.
Sophia hielt die kleine Maria fest in den Armen. Zum ersten Mal wünschte sie sich Lilith würde aus ihr herausbrechen und all diesen bösen Menschen den Gar aus machen. Doch ihre Gefühle waren weder eindeutig noch stark genug. Angst, Trauer und vor allem Hilflosigkeit durchfuhren sie. Sophia schloss fest die Augen.
Auf einmal spürte sie etwas anderes. Ein Beben, ein Ruckeln. Als wenn sich etwas unter ihr durch die Erde grub.
»Knallt sie ab verdammt!«, schrie Vitus erneut.
Doch es geschah nichts. Sophia öffnete die Augen. Die Soldaten des Regimes schauten nervös um sich. Die ganze Erde zitterte. Ruckartig brach der Boden auf. Aus unzähligen Rissen schossen Stränge hervor, rankten und schlängelten sich. Viele stachen direkt unter den Soldaten in die Höhe, wobei sie die Männer umschubsten oder einfach mit sich zerrten. Dicht und dichter flocht sich ein Geäst um die Männer. Sie schrien, ließen verzweifelt ihre Büchsen fallen. Innerhalb weniger Sekunden ballte sich eine feste Hecke über Vitus und seine Schergen auf. So fest, dass sie ihnen keine Möglichkeit zur Wehr bot. Auch der Würger wurde vom Wuchs verschlungen und von den Ranken verschnürt. Abaris war frei. Sofort stapfte Sophia zu ihm. Der Würger hatte eine tiefe Wunde in seinen Arm hinterlassen.
»Dieses Mistvieh!«, sagte Abaris mit schmerzverzerrter Stimme.
»Das müssen wir auf jeden Fall verbinden. Du verlierst sehr viel Blut.«
»Das wird schon... Ich werde einfach... mit meinen... Stab...« Doch schon verloren sich Abaris' Worte in Ohnmacht.
Da erschien am Rande des Grabens eine kleine Gestalt. Gemächlich, und alles andere als behände, schlenderte sie an den ächzenden, im Gestrüpp gefangenen Federmäntel vorbei.
»Du?!«, brüllte Vitus außer sich, »Ich dachte ihr hättet diese Hexe erledigt!«
»Dat hebt diene Mannslüe wol ok dacht.«
Im schummrigen Licht konnte Sophia die Person nicht erkennen, aber der Stimme nach musste es eine ältere Dame sein. Allerdings sprach sie einen Dialekt mit dem Sophia sich schwer tat ihn zu verstehen.
»Warte nur wenn dein Gestrüpp verdorrt ist...«, begann Vitus zu fluchen.
»Ach, hol dien Mul.« Durch eine Handbewegung der Alten schlängelten sich die Pflanzen und stopften Vitus das Mundwerk.
Sie griff in eine Tasche und holte etwas heraus, um es dann vor sich in den Graben zu streuen. Im Nu wuchsen weitere Ranken aus dem Boden und bildeten dabei, wie vom Gärtner zurechtgestutzt, eine Treppe.
»Un ji komt ers mol ut dat iskole Wader rut, süs hold ji jau noch ne Verkölung.«
Zu Gast bei Mimmi
»Nicht zu glauben, da steckt ja ein kleines Mädchen drunter«, sagte Sophia, als sie Maria den Dreck aus dem Gesicht wischte, »Und ein hübsches noch dazu.« Mit mütterlicher Hingabe schrubbte Sophia ihrer neu gewonnenen Tochter den Dreck von der Haut und wusch ihre hüftlangen Goldlocken, bis sie wieder glänzten.
Die alte Dame vom Torffeld hatte sie freundlich in ihr Haus aufgenommen und ihren durchfrorenen Gästen ein Bad eingelassen. Eine wohltuende Kräutermischung der Hausdame selbst, deren Dämpfe sich auf Haut und Lunge samtweich niederlegte, spülte alles Unreine hinfort.
Warm und sauber kuschelten Maria und Sophia sich nach ihrem Bad unter eine Decke vor den prasselnden Kamin, wo ihre klitschnassen Kleider in der Nähe des Feuers trockneten, gleich neben Byrgers vom Matsch
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