Mitternachtslöwe (German Edition)
verdreckten Gewand und seinem groß krempigen Hut. Byrger half Odilo gerade aus der Rüstung, als ihre Gastgeberin aus dem Nebenzimmer trat, in dem sie Abaris zu Bett gelegt hatten.
»Wie geht es ihm?«, fragte Sophia ungeduldig.
Zwar versuchte die Alte dialektfrei zu reden, doch hin und wieder rutschte ihr doch noch das eine oder andere Wort raus, bei dem Sophia zweimal überlegen musste, um zu verstehen, was gemeint war.
»De Wunde is tief, aber dat wird he überleben. Ik hab em ene Kräuterkompresse angelegt. De wird dafür sorgn, dat sich de Wunde goot schließt. Ju Freund braucht nu viel Ruhe. In en paar Tagen, so denk ik, wird he schon wieder aufstehn könn.«
Sophia war heilfroh über diese Nachricht und ihr Herz erleichterte sich, hatte sie doch nach dem Vorfall im Graben Schlimmeres befürchtet.
Als sich ihre Gastgeberin daran machte einen Tee über dem Feuer aufzusetzen, kam sie mit ihren Gästen ins Gespräch.
»Mien Name is Minna, aber alle nenn mich Mimmi«, lächelte die alte Dame.
»Lebt Ihr hier ganz alleine?«, wollte Sophia wissen.
»Jo, schon ene ganze Weile. Mien Mann is vor langer Tied verstorbm un mien Dochter früh in de Stadt gegang. Mien zu Haus is dat Moor. Al jümmer.«
»Ihr scheint gut zurecht zu kommen. Bei den Leuten des Regimes sah es jedenfalls so aus«, sprach Byrger sie unverblümt auf die Geschehnisse auf dem Torffeld an.
Auch Sophia hörte sehr gespannt, was Mimmi dazu sagen würde.
»Ach dat, dat war nur en bissn Kräutermagie, nichts Aufregendes. Diese Streuelche hebt dat jo nich anners verdient«, schmunzelte Mimmi.
»Ihr hattet schon des öfteren Kontakt mit dem Regime?«, wollte Byrger wissen, der gerade mit den Verschlüssen an Odilos Brustpanzer kämpfte.
»Jo«, antwortete Mimmi, »wi sind uns schon en paar Mool über den Weg gelaufn. Neulich dachtn se wohl se hättn mi erwischt, aber da müssn sich diese Buben schon wat besseres ausdenkn.«
Byrger befreite Odilo endlich aus der schwarzen Rüstung. Sie wollten sich gerade zu Sophia und Maria setzen, da bemerkte Mimmi die Wunde an Odilos Arm, die ihm Vitus mit seiner Donnerbüchse zugefügt hatte.
»Bengel, warum sagst du denn nichts?«, sorgte sich die Alte um ihn.
»Das ist halb so schlimm.«
»Lass mi dat trotzdem lieber mool ankieken.«
Odilo gehorchte und zeigte die Wunde. »Im Lager hat man mich schon versorgt.«
»Jo, dat seh ik«, sagte Mimmi kopfschüttelnd, »Düsse Dööskoppe hebt ok gar keene Ahnung von so wat.«
Auf Odilos Wunde klebte eine schwarze Paste, wie Teer. Sie roch fürchterlich.
»Dat mookt wi mool anners.« Aus ihrem kleinen Apothekerschränkchen holte Mimmi ein paar frische Kräuter, rieb sie in der Hand klein, legte sie auf die Wunde und verband alles mit einem Leinentuch. »Riecht nich nur beter, wird ok beter helfn«, lächelte sie. »Und nu is ok de Tee feddig«, freute Mimmi sich.
Die alte Dame verteilte Tassen und schenkte ihren Gästen einen Tee ein, um sich dann in ihren Schaukelstuhl vor dem wärmenden Feuer zu ihren Gästen zu gesellen. Ihr knautschiges Gesicht strahlte vor Gemütlichkeit. Nichts schien sie aus der Ruhe bringen zu können. Mimmi war wie die nette Oma die Sophia nie gehabt hatte. Als Kind besuchte Sophia oft ihre beste Freundin, deren Großmutter ihnen auch immer Tee machte. Dann saßen sie stundenlang vor dem Kamin und hörten ihren Geschichten aus alten Tagen zu.
»Wat hebt ji denn anstellt, dat de sogar düsse Bestie op ju loshetzn?«
»Wir waren eigentlich nur auf der Durchreise. Plötzlich wurden wir von den Federmänteln angegriffen und gefangen genommen«, sagte Sophia, »Doch wir sind geflohen und haben dabei ihr Lager in Brand gesteckt. Davon waren sie nicht so begeistert.«
Die Alte kicherte. »So so, ji hebt dat Lager also in Brand steckt.«
Der Tee breitete sein vorzügliches Aroma im ganzen Haus aus. Ein sehr guter Kräutertee, Salbei mit einem Hauch Melisse. Eine Wohltat für ihre strapazierten Nasen, die gezwungen waren tagelang nichts anderes als den Mief des Regimelagers zu erdulden. Sophia nippte an ihrer Tasse. Das Kräuterwässerchen wärmte ungemein und tat der Seele einfach nur gut.
»Wird uns das Regime hier nicht finden?«, fragte Byrger.
»Nee«, antwortete Mimmi, »Hier ins Moor wagen se sich nich. Se kennen sich hier nich ut. Dat gibt keine festn Wege de man gehn kann. Viele sind hier schon wortwörtlich vom Erdbodn verschluckt wordn. Nich um sonst nennt man es dat Teufelsmoor.«
In Ruhe tranken sie ihren Tee aus.
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