Mitternachtslöwe (German Edition)
Dankend nahm jeder noch eine zweite Tasse entgegen.
»Ihr seid wirklich ein ausgezeichneter Schauspieler, Herr Odilo«, sagte Byrger, »Ihr habt uns alle ziemlich reingelegt.«
»Ja Odi«, sagte Sophia mit ironischem Unterton, »Du hast mir echt Angst eingejagt.«
Odilo musste herzhaft lachen. »Tut mir echt leid, aber ich dachte mir, es wäre das Beste, euch auch nichts zu sagen.«
»Schauspielerei?«, fragte Mimmi interessiert, »Also davon müsst ji mi mehr vertellen.«
Während Odilo seine Geschichte erzählte, wie er vortäuschte zum Regime überzulaufen, schaute Sophia bei Abaris vorbei. Ruhig und fest schlafend lag er dick in Decken gehüllt im Bett. Vorsichtig schaute Sophia sich seine Verletzung an. Mit Kräutern kannte sich Mimmi bestens aus, dem Anschein nach, blutete Abaris' Wunde jedenfalls schon nicht mehr.
Sophia setzte sich auf die Bettkante. Während sie so nachdachte, streichelte sie Abaris zärtlich durchs Gesicht. Erst jetzt kam ihr Geist langsam zur Ruhe und sie begriff was eigentlich geschehen war.
Was wir alles auf uns nehmen - dabei sind wir noch ganz am Anfang unserer Reise. Ich hoffe nur, dass wir auch zukünftig so glimpflich davon kommen, wie es dieses Mal geschehen ist.
Auf dem Nachttisch erspähte sie Abaris' goldenen Stab. Zunächst zögerte sie, aber dann nahm sie ihn schließlich in die Hand. Ausgenommen von der Gravur des Ascendus war seine Oberfläche vollkommen eben und abgesehen von seinem goldenem Äußerem eher prunklos, gar zu schlicht, dennoch ein mächtiges Instrument.
»Wie es aussieht, allerdings nur in deinen Händen«, ergänzte Sophia laut ihre Gedanken.
Maria trat zur Tür hinein. Sie ließ ihre langen Locken immer wieder durch ihre Finger kreisen. »Darf ich heute Nacht bei dir schlafen, Sophia?«, fragte sie mit schläfrigen Augen.
»Aber sicher doch. Na komm, wir gehen zu Bett. Der Tag war aufregend genug.«
Der nächste Tag begann trübe, wie der davor. Immer noch wrangen die dunklen Wolken ihren Gram über das Land aus. Weit und breit war kein helles Fleckchen am Himmel zu sehen. Keine Elle weit konnte man aus dem Haus treten, ohne in einem Meer aus Grauschwaden zu versinken, so nebelig war es. Nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, dass sie sich mitten im Moor befanden. Mimmi riet ihnen sich nicht vom Haus zu entfernen, würde man hier nur allzu schnell in einer Moorkuhle versinken. Außer Abaris, der weiterhin tief und fest schlief, saßen alle am Tisch und frühstückten ausgiebig.
»Daff ifft so fut«, kaute Odilo, während er sich eine dicke Scheibe Brot mit Käse in den Mund stopfte, »Seipf Taffen habf iff nifft meh fefeffen.«
Mimmi musste kichern. »Na in diesm Fall sehn wi mool über einige Tischmaniern hinwech.«
Odilo wurde leicht rot im Gesicht. »Enffullfifungf.«
»Gab man Euch etwa nichts zu essen, als Ihr ein Soldat des mächtigen Regimes wart?«, fragte Byrger, wobei Sophia einen Funken Sarkasmus in seinen Worten zu erkennen glaubte.
Odilo schluckte seinen Batzen Brot hinunter. »Glaubt mir, den Fraß hätte keiner von euch gegessen.«
»Aber die Kartoffeln waren lecker«, sagte Maria mit großen Augen.
»Da gab's Kartoffeln?«, fragte Odilo erstaunt.
»Ja, die musste ich doch immer schälen.«
»Die scheinen sie mir«, er biss gierig von seinem Brot ab, »firfenfie fofenfhalfen fu fabfen.«
Sophia brach in heiteres Lachen aus.
Auch Maria fand es sehr amüsant Odilo beim Sprechen mit vollem Munde zuzuhören und machte sich einen Spaß daraus es ihm gleichzutun. »Kafoffeln finf fofal leffer!«
Und fast war Sophia so, als würde selbst Byrger ein flüchtiges Lächeln entgleiten.
Auf einmal war Maria nicht mehr das kleine, ängstliche Mädchen aus dem Kartoffelschuppen. Auf ihrer Flucht hatte sie geweint und geschrien, was man ihr wohl kaum verübeln konnte, doch auf einmal schien sie wie gewandelt. Sophia erkannte in Maria ein tapferes und mutiges Mädchen. Und dennoch, jemand musste nun für sie sorgen. Ihr wurde bewusst, dass sie es war, die diese Aufgabe ab nun übernehmen würde.
Sophia fragte sich, ob sie damals auch so tapfer gewesen war. Sie versuchte sich an etwas Lustiges, etwas Schönes zu erinnern, dass sie in Marias Alter erlebte hatte, doch auf die Schnelle wollte ihr einfach nichts einfallen.
Die heitere Stimmung am Esstisch unterbrach schlagartig, als ein merkwürdiges Geräusch von draußen ertönte. Ein Kratzen und ein Scharen. Das Gelächter verstummte. Jeder am Tisch hörte genau hin.
»Nanu,
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