Mitternachtslöwe (German Edition)
setzten sie wieder auf den Boden auf.
»Lasst mich nicht los«, sagte Abaris hastig, »Solange ihr euch an mir festhaltet, können sie uns weder hören noch sehen. Ich kann die Kraft des Stabes nicht mehr lange aufrechterhalten. Wir müssen Sophia da rausbekommen, dann gehen wir wie geplant vor.«
»Kommt sofort zurück oder eure Freundin wird in tausend Stücke gerissen!«, brüllte Vitus. Er hielt Sophia in die Luft, genau über der Öffnung die hinunter zur Bestie führte.
»Los, flieg hin und rette sie!«, verlangte Odilo von Abaris.
»Wie soll ich sie denn aus seinem Griff lösen?«
»Na was ist?«, schrie Vitus.
Byrger ging in sich. Er würde es schaffen, er hatte es doch schon fast. Wieder begann er seine Formel zu murmeln. Er ließ Abaris' und Odilos Worte im Nichts verschwinden und konzentrierte sich nur auf seinen Spruch.
»Schade um die Hübsche, aber ihr habt es ja nicht anders gewollt.«
Vitus ließ los. Sophia fiel.
Die Welt hielt den Atem an.
Alles stand still.
Kein Gebrüll, keine tobende Bestie.
Von oben herab bestrahlte ein Lichtschein die ganze Szene. Außerhalb dieses Lichtkegels gab es nichts als Schwarz zu sehen, unendliche Dunkelheit, so als ob das gesamte Universum in sich zusammen gefallen und nur dieser kleine Flecken Erde übergeblieben wäre. Auf dieser Insel stand Byrger, neben ihm Abaris und Odilo, regungslos. Kurz am Rande zur Unendlichkeit hielt Vitus inne, gleich daneben hing Sophia mit totenbleichem Gesicht in der Luft schwebend über der Öffnung zur Grube des Würgers.
Mit einem Mal tat sich etwas in der umfassenden Schwärze. Die Dunkelheit wich langsam mehr und mehr, bis ein wandernder Schleier aus bunten Farben sie komplett verdrängte. Ballende Schwaden aus Farbe und Licht kreisten um die kleine Insel und ließen sie in weichen Farbtönen erstrahlen. Unter die Farbenpracht mischten sich allmählich Geräusche und Bilder. Stimmen waren zu hören. Zunächst verfremdet und verzerrt, doch immer klarer traten sie aus der Schleierwand heraus. Auch die vorerst verschwommenen Bilder nahmen an Deutlichkeit zu.
Byrger vernahm das Schauspiel geruhsam und sah geduldig zu wie die Bilder und Stimmen um ihn herum Gestalt annahmen. Immer wiederkehrend zeigte der bunte Schleier die letzen Augenblicke vor Byrgers Eintritt zur Insel: Vitus brüllte, Sophia fiel. Immer und immer wieder zeigte der Schleier dieses Bild.
Jetzt musste er handeln.
Doch schon nach seinem ersten Schritt hielt Byrger wieder ein. Vor ihm verzerrte alles, so als verwische ein unsichtbarer Pinsel die Realität. Byrger kannte diesen Effekt. Er hatte ihn schon einmal erlebt: Damals, als er das letzte Mal versucht hatte Magie einzusetzen und sich als Resultat davon in einem anderen Zeitalter wiederfand. Selbst das Licht stand still, sodass Byrger die Strahlen bei jeder Bewegung vor sich her schob und hinter sich ein schwarzes, im Raum stehendes Abbild seiner selbst hinterließ.
Ein übles Gefühl machte sich in Byrger breit, doch er versuchte nicht daran zu denken was alles schief gehen könnte und ging weiter.
Um ihn herum begannen die Bilder und Klänge im Farbschleier fortwährend schneller abzulaufen. Eile war geboten.
Die verschobenen Lichtstrahlen verzerrten die Sicht immer weiter, umso näher Byrger herantrat, doch er schaffte es bis zu Sophia zu gelangen.
Der Schleier wirbelte mittlerweile wie wild die Bilder um sich, Vitus' Gebrüll war in einen schrillen, anhaltenden Ton übergegangen.
Behutsam lockerte Byrger die Kette und holte Sophias Hals aus der eisernen Schlinge. Da sie mitten in der Luft schwebte, schob er sie einfach von der Grubenöffnung weg in die Richtung wo er Abaris und Odilo vermutete. Er vermochte nicht mehr zu erkennen wo genau sie wohl standen. Völlig verschmiert, glich die Insel einem verlaufenen Gemälde der sehr abstrakten Art.
Da fiel mit einem mal der Farbschleier in sich zusammen. Die Bilder schwanden, der kreischende Ton verstummte.
Finsternis.
Mit aller Anstrengung versuchte sie mit der freien Hand irgendwie Vitus' Griff zu lösen, doch so wie Sophia von ihm in die Höhe gehalten wurde zappelte sie eher wie ein Fisch am Haken wild mit den Flossen herum.
Unter ihr versuchte die Bestie nach Sophias Beinen zu schnappen. Allein dem schweren Gitter verdankte sie es, dass sie ihre Füße noch nutzen konnte, um Vitus damit ein paar Tritte zu verpassen, was ihm allerdings nicht viel ausmachte.
»Schade um die Hübsche, aber ihr habt es ja nicht anders gewollt«, sagte
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