Mitternachtslöwe (German Edition)
wie Geiger, auch Bureus mit seiner bezaubernden Dame. Seine Scheu verwehte im Nachtwind auf dem sie sich fortan treiben ließen. Sie hüpften von Böe zu Böe, umrundeten die Lichtung.
»Wie ist Euer Name?«, fragte Bureus.
»Mindi«, lächelte das Mädchen aus Dunst und Schleier.
»Ihr seid ein Geist«, sagte Bureus, weil er einfach nicht wusste was er sonst sagen sollte.
»Ganz recht, guter Herr Bureus«, kicherte Mindi.
»Ihr kennt meinen Namen?«
»Die Geisterwelt ist hellhörig. Mit Neid blicken wir auf die Lebenden, mit Furcht sie uns entgegen. Herr Geiger und Ihr hingegen seid welche der Wenigen, die uns nicht der bösen Blicke triezen.«
»Wie könnte man nur solch eine reizende Dame wie Euch verschmähen?«
»Ihr schmeichelt mir gar sehr. Wäre ich des Euern gleich, sehet Ihr mich erröten.«
Die Musik erreichte ihren finalen Höhepunkt. Langsam sanken die Pärchen hinab. In einer letzten Drehung setzte Mindi Bureus sanft am Ufer ab.
»Ihr seid wahrlich ein begnadeter Tänzer, Herr Bureus.«
»Vielen Dank, Fräulein Mindi, auch mir war es eine Freud.«
Aus der Höhe schwebten Geiger und seine Partnerin heran. Die zu Lebzeiten etwas wuchtigere Dame klatschte mit den Fingerspitzen Beifall. »Grandios! Bravo! Da capo!«
»Madam Olu«, wandte Geiger sich ihr dringlichst zu, »die Welt der Lebenden wird überrannt. Mein Freund und ich benötigen dringendst Unterschlupf. Könnt Ihr ihn uns gewähren?«
»Welch Frage«, sagte Madam Olu leicht empört, »Selbstverständlich. Ihr seid uns stets ein willkommener Gast.« Sie lies aus ihren Nebelschwaden einen Handfächer erscheinen. Beim Fächern wehte sie sich damit fast selber weg, was aussah, als würde ihr Haar in Rauch aufgehen. »Doch wir selber können Euch nicht in unsere Welt mitnehmen. Habt Ihr einen Vermittler?«
»Sicher«, sagte Geiger und klopfte auf seine Shisha.
»Gut, beeilt Euch. Es ist gleich so weit.«
»Ich bin entzückt, Herr Bureus. Dann sehen wir uns gleich«, lächelte Mindi und hauchte Bureus einen Handkuss aus Nebel und Rauch entgegen, bevor sie, Madam Olu und alle anderen Geister sich über dem Splittersee sammelten.
»Was meint sie damit?«, fragte Bureus durcheinander.
»Wir gehen mit ihnen«, sagte Geiger der wild an seiner Wasserpfeife rubbelte.
»Wohin?«
»Ihr bleibt schön hier!« Auf dem Hügel stand ein Mann mit einer Gerätschaft vor der Brust. Weitere seiner Sorte folgten ihm. Sie trugen das Symbol des Adlers. Ein bittrer Kloß kroch Bureus über die Zunge hinein in seinen Hals.
»Geiger?«, brüllte der Mann.
Weder Bureus noch Geiger rührte einen Finger.
»Wer von euch ist Geiger?« Der Mann wurde lauter.
Mit einem Zischen entwich eine geballte Wolke Qualm aus Geigers Wasserpfeife. Der Rauch formierte sich, bäumte sich auf. Er fügte sich zusammen, quoll auf bis eine nebulöse Raubkatze aus ihm vorsprang und sich selbst in ihm auflöste.
»Was soll das? Lasst diese Zauberspielchen!«
»Lauft Bureus, rettet die Welt!«, schrie Geiger.
»Schießt verdammt! Schießt dieses Ding ab!« Die Soldaten des Regimes betätigten ihre Geräte. Aus allen Ecken knallte es. Feuer und Funken schlugen auf den Tiger aus Nebel nieder, konnten ihm aber nichts anhaben.
»Steigt auf und folgt den Geistern!« trieb Geiger Bureus an. Schwerfällig wackelte er den tödlichen Feuerstößen entgegen, seinen Hut mit einer Hand festhaltend. »Na los!«
Bureus schwang seine alten Knochen auf den Tiger. Der machte einen großen Satz in die Luft. Von allen Seiten pfiffen Feuergeschosse an ihnen vorbei, manche durchdrangen den Körper des Tigers, zerrissen den Rauch zu schlingernden Fähnchen. Die Geister trudelten um die Mitte des Sees herum. Immer schneller drehten sie sich, bildeten einen Strudel. Bureus Flugtiger vollführte eine enge Wende. Am Boden blitzten die Geräte des Regimes ihre Salven auf Geiger nieder. Der hielt sich jedoch wacker. Er tanzte umher, nutzte die Feder seines Hutes als Instrument der Zauberkunst, indem er sie findig hin und her schwang. Lavabälle und Kugelblitze schossen auf seine Angreifer nieder. Immer mehr Federmäntel kamen den Hügel hinauf. Geiger bezwang sie alle.
Der Geisterstrudel verdichtete sich. Zunächst tellergroß, wenige Sekunden später die Größe eines Wagenrads erreicht, breitete sich der Strudel auf dem See flach aus und bedeckte ihn wieder mit Eis.
Der Tiger flog an Geiger heran, als die Welle an Soldaten kurz absackte. »Schnell«, schrie Geiger, »In den Strudel hinein. Ihr
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