Mitternachtslöwe (German Edition)
feinstem Staub, um dann von einem unsichtbaren Windhauch ins Nichts fortgeweht zu werden. Dem staubentschwundenem Quader entfleuchte ein finsterer Raum. Seine Ausmaße waren nicht gut zu erkennen, das Licht war zu sehr gedämmt, nur das große Idher Symbol aus feinstem Marmor auf dem sie jetzt standen illuminierte geruhsam. Leise plätscherte das Wasser im Kanal, der sich nun unendlich in die Dunkelheit hinein zog. Weit entfernt in dieser Dunkelheit leuchtete ein kleiner Punkt.
Sophia wagte einen Schritt. Nach und nach erhellte sich die Umgebung. Eine schier riesige Halle tauchte vor ihnen auf. Mächtige Leuchter, mehrere zehn Meter hoch mussten sie hängen, tränkten sie in liebevolles, weiches Licht.
Voller Staunen besah Sophia was das Licht preis gab. Um sie herum häuften sich Goldbarren, Münzen, Perlen, Edelsteine - so unfassbar viel, dass kein Menschenleben gereicht hätte all diesen Reichtum je auszugeben. Schimmernde Preziosen glitzerten, mit Diamanten verzierte Schalen und Kelche aus Silber funkelten. Wie tausende Sterne blitzte und glänzte es aus allen Richtungen, ein Lichtspiel unendlicher Sonnen aus edlen Metallen und filigransten Schmucksteinen. Monomental geschliffene Kristalle besetzten die Wände, poliert und strahlend, so glatt und fein, dass sie jedes noch so kleine Perlchen abertausendfach widerspiegelten.
Byrgers Gesicht erschien nie so lebendig. »Große Güte«, brachte er als Erster einige Worte hervor.
»Der Schatz!«, wisperte Maria, deren Augen nicht genug Platz in ihren Höhlen fanden. Sie griff in einen Haufen Goldstücke und lies ihn über sich niederregnen.
»Ich habe mit einigem gerechnet«, piepste Abaris, »aber nicht mit so was.«
»Niemand hat das«, murmelte Sophia. Ihr Blick hing weiter an dem Lichtlein, dass eben im Dunklen der einzige Blickfang schien. Ehrenvoll schritt sie darauf zu, entlang des Wasserkanals, der darauf zufloss. Geborgene Wärme durchströmte sie. Ihr Herz schlug ruhig, ihr Atem samtig.
Auf ein paar Stufen erhoben präsentierte ein kleines Podest, eine niedrige Säule. Aus ihr heraus rann ein dünner Faden blauen Golds, speiste den Kanal. Obenauf stand eine Phiole. Auf den ersten Blick hielt Sophia sie für leer. Bei genauerem Hinsehen jedoch bedeckte eine purpurne Flüssigkeit den Boden. Sophia wischte mit der Hand über das verstaubte Schildchen: Tinctura.
Oh Gräuel, verrückt mir ward,
Welch schelmisch Besessenheit befall mich hat.
Gib Leb' für immerdar,
In Reu ich niemals starb.
»Paracelsus' Lebenselixier«, sprach Byrger der hinter Sophia trat, »Sein erster Schatz. Gibt Leben, auf Ewigkeit, heilt Krankheiten, spendet Kraft. Wenn dein Vater doch jetzt bei uns wäre.«
Sophia nahm das Fläschchen an sich. »Er würde völlig aus dem Häuschen sein.« Ihr perlten die Tränen hinab, unterstrich sie mit einem Lächeln.
»Hört euch das an«, kam Abaris mit einem Pergament auf sie zu gerannt, »Seht was ich gefunden habe: ›Wie man des Bleis zu Gold wandle.‹ Dort hinten gibt es einen ganzen Stapel solcher Formeln.« Er gab das Schriftstück an Byrger weiter.
»Es ist also wahr«, staunte Byrger, »Paracelsus hat es tatsächlich vollbracht. Unglaublich.«
»Und was habt ihr gefunden?«, fragte Abaris.
Sophia hielt die Phiole in die Höhe. »Einen kleinen Rest seines Lebenselixiers.«
Gradezu enttäuscht stierte Abaris auf die Tröpfchen. »Nicht gerade viel«, sagte er flapsig.
Sophia gab Abaris einen freundlichen Schubs mit dem Ellenbogen, »Das ist die größte, magisch- alchimistische Entdeckung seit... überhaupt! Es heilt alle Krankheiten und vermag ewiges Leben dem zu schenken der es zu sich nimmt.«
»Und ihr seid sicher, dass es funktioniert? Vielleicht ist es auch nur«, er verzog die Unterlippe, »Pflaumensaft.«
»Es ist die Quelle der Magie und bestimmt kein Pflaumensaft«, sagte Byrger gewohnt ernst, »Wir sollten es gut aufbewahren, bis wir die andren zwei Schätze gefunden haben. Erst dann wohl werden wir wissen es einzusetzen.«
»Und was machen wir mit dem ganzen Gold, Silber, Steinen...«
»Lassen wo sie sind«, sagte Byrger beschämt.
»Was?« Abaris drehte durch. »Wir sollen alles hier lassen? Den wohl größten Schatz den die Welt je gesehen hat?«
»Herr Abaris«, Byrger blieb ruhig und sachlich, aber streng, »ich weiß nicht wie viel Leben Ihr verschwenden wollt, um das alles hier rauszuschaffen, und ich gehe davon aus, dass Ihr eh nur eins besitzt, deswegen sage ich wir lassen es hier und widmen
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