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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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dabei, dass sie so selten ihre Digitalkamera benutzte, die ihr die Entwicklung der Fotos und damit die Wartezeit erspart hätte.
    Als die Umrisse auf dem ersten Bild in der Entwicklerflüssigkeit nach und nach sichtbar wurden, stieß sie einen leisen Schrei aus. Mit wild klopfendem Herzen starrte sie in die flache Schale und wartete, aber die Formen und Farben auf dem Foto wurden zwar deutlicher, sonst änderte sich jedoch nichts. Schließlich zog sie das Bild aus der Flüssigkeit, wedelte es notdürftig trocken und rannte damit so eilig die Treppe hinunter, dass sie auf der untersten Stufe fast gestolpert und direkt in Susannes Arme gefallen wäre. Im letzten Moment hielt sie sich mit der freien Hand am Treppengeländer fest.
    »Sieh dir das an!«, forderte sie ihre Freundin atemlos auf und hielt ihr das Foto hin.
    »Aber da ist …« Mit zusammengekniffenen Augen starrte Susanne sekundenlang sprachlos auf das Bild. »Er ist nicht zu sehen«, flüsterte sie dann fast andächtig.
    »Nein.« Melissa nickte nachdrücklich.
    »Aber er stand direkt neben mir! Ich habe ihn sogar berührt. Meine Hand lag auf seinem Arm!« In Susannes Augen lag tiefes Entsetzen, als sie auf dem Bild ihre Hand betrachtete, die in der Luft hing, denn der Ärmel, auf dem ihre Finger gelegen hatten, war nicht zu sehen.
    »Du hast mir nicht eine Sekunde geglaubt, nicht wahr?« Melissa sprach mehr zu sich selbst als zu Susanne.
    »Doch, doch, ich habe dir geglaubt«, beteuerte diese hastig. »Aber es ist etwas anderes, es mit eigenen Augen zu sehen.«
    »Das ist wahr. Ich selbst habe ziemlich lange gebraucht, bis ich aufgehört habe, nach natürlichen Erklärungen für all die merkwürdigen Vorkommnisse zu suchen.« Melissa lächelte und dachte, dass es ein gutes Gefühl war, die Dinge jetzt einfach so hinnehmen zu können, wie sie nun einmal zu sein schienen.
    »Kann ich das Bild haben?«, fragte Susanne fast schüchtern. »Ich möchte es Jochen zeigen und mit ihm darüber sprechen. Oder hast du etwas dagegen?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich habe ja noch mehr Fotos von euch beiden auf der Treppe gemacht.« Melissa sah zu, wie ihre Freundin den inzwischen trockenen Abzug vorsichtig in ihre Handtasche schob.
    Wieder wandten die beiden Frauen sich der Haustür zu und erneut fiel Melissa im letzten Moment noch etwas ein.
    »Würdest du der Polizei erzählen, dass hier, auf diesem leeren Fleck auf dem Foto, gestern Abend jemand gestanden hat, den du sehen und sogar anfassen konntest?«
    »Willst du deine Aussage widerrufen?« Susanne drehte sich erschrocken um.
    »Nur falls Alexander inzwischen widerrufen hat. Dann werde ich die Wahrheit sagen. Etwas anderes bleibt mir nicht übrig, und durch die Bilder habe ich wenigstens eine Zeugin, nämlich dich. Vielleicht ist der Pirat ja auch anderen Gästen aufgefallen. Aber falls sie ihn gesehen haben, werden sie gedacht haben, es sei Alexander, der schließlich das gleiche Kostüm trug. Nebeneinander haben die beiden Piraten nie gestanden.«
    »Die Polizisten werden uns beide für verrückt halten.« Auf Susannes Stirn hatten sich zwei tiefe parallel verlaufende Falten gebildet.
    »Wahrscheinlich. Es ist wohl besser, wenn ich dich nicht in die Sache hineinziehe.«
    »Wieso glaubst du, dass dieser Alexander seine Aussage widerrufen wird? Du hast doch gesagt, der Kommissar habe ihm unbesehen jedes Wort geglaubt, schon allein, weil er ihn für einen tollen Maler hält.«
    »Ich habe ihm gesagt, dass er widerrufen soll«, gestand Melissa leise, »als ich ihn hinausgeworfen habe. Ich will nicht, dass dieser Mann weiter für mich lügt.«
    »Er wird trotzdem weiter lügen. Ihm muss ziemlich viel an dir liegen. Er glaubt, du selbst hättest Richard erschlagen, und trotzdem hat er dir geholfen.«
    »Er hält mich für eine Mörderin!« Melissa nahm wahr, wie schrill ihre Stimme klang.
    »Und er hat dich beschützt«, stellte Susanne fast andächtig fest.
    »Ich habe dir doch schon gesagt, warum er das getan hat: aus Mitleid und weil es für ihn praktisch ist, mit seiner Nachbarin ins Bett gehen zu können.«
    »Du solltest nicht immer das Schlechteste von Männern denken.« Susanne sah durch die Haustür, die sie bereits geöffnet hatte, in den sachte fallenden Sommerregen hinaus.
    »Wieso sieht man dieses Gärtnerhäuschen eigentlich von hier aus nicht?«, erkundigte sie sich beiläufig.
    »Es liegt ganz am anderen Ende des Parks – dort hinten, wo die hohen Bäume stehen«, erklärte Melissa ihr

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