Mitternachtslust
vom ersten Tag an, als ich dieses Haus betrat! Immer wieder habe ich seine Nähe gefühlt, obwohl ich ständig versucht habe, mir einzureden, dass es Einbildung oder Zugluft war. Und als er nachts bei mir war, redete ich mir ein, es sei ein Traum gewesen.«
Alexander betrachtete sie nachdenklich. »Manchmal spielt unsere Vorstellungskraft uns einen Streich, das weiß keiner besser als ich. Im Morgennebel kann ein Busch am Wegesrand wie eine Erscheinung aus dem Jenseits aussehen. Früher habe ich einmal versucht, das auf einem Bild festzuhalten. Es ist sehr schwierig, weil es so unwirklich ist und gleichzeitig so real wirkt …«
Mit einem Satz war Melissa aus dem Bett. »Rede nicht mit mir wie mit einem dummen Kind!«, schrie sie ihn an. »Wenn du mir nicht glaubst, dann geh doch zur Polizei, und sag ihnen die Wahrheit! Wenn du denkst, ich hätte Richard selbst erschlagen, lege ich keinen Wert auf deine Hilfe. Geh einfach weg, und lass mich in Ruhe!«
Alexander machte keine Anstalten, sich von der Stelle zu rühren. »Ich werde nicht einfach weggehen. Es mag ja sein, dass das, was zwischen uns geschehen ist, für dich nichts Besonderes war. Für mich war es das, und ich habe nicht die Absicht, aus deinem Leben zu verschwinden.«
»Und ich habe nicht die Absicht, mich schon wieder mit einem selbstgerechten, allwissenden Kerl einzulassen, der mir ständig erzählt, ob ich im Recht oder im Unrecht bin und was ich zu tun und zu lassen habe!« Vor Wut fauchte sie wie eine Katze.
»Ich bin nicht wie Richard. Das weißt du ganz genau. Du musst dir aber dennoch darüber im Klaren sein, dass ich nicht in allem deine Meinung teilen kann und werde.« Er klang ernst und fast beschwörend, aber seine Ruhe machte sie noch wütender.
»Ich muss überhaupt nichts!« Als Melissa plötzlich bemerkte, dass sie völlig nackt mitten im Zimmer stand, schnappte sie nach ihrem Bademantel und kämpfte sich mit zitternden Händen in die Ärmel.
»Doch – du musst jetzt vernünftig sein. Wenn wir einen Fehler machen, haben wir eine Anzeige wegen Falschaussage und was weiß ich noch alles am Hals.« Alexander angelte neben dem Bett nach seiner Unterhose und zog sie sich unter der Decke an, als fühlte auch er sich Melissa gegenüber zu unsicher, um sich ihr nackt zu zeigen.
»Das ist mir egal!«, behauptete sie trotzig. »Wenn ich sowieso des Mordes an meinem Mann verdächtigt werde, kommt es darauf auch nicht mehr an.«
»Kein Mensch verdächtigt dich des Mordes. Der Kommissar hat keinen Moment an meiner Aussage gezweifelt.« Auf der Bettkante sitzend, schlüpfte Alexander in seine Hose.
»Wahrscheinlich weil er denkt, ein so berühmter Maler wie du könnte nicht lügen«, giftete Melissa ihn an und öffnete die Tür.
»Kann sein.« Er lachte leise. »Warum stört es dich eigentlich, dass ich nicht so erfolglos bin, wie du offenbar dachtest?«
»Es stört mich, dass du mir etwas vorgemacht hast.« Sie presste die Lippen aufeinander und ärgerte sich, dass er schon wieder versuchte, sie in die Enge zu treiben und sich über sie lustig zu machen.
»Ich habe dich nie belogen. Hätte ich dir meine Kontoauszüge zeigen sollen? Du hättest mich ja fragen können, ob ich schon mal das eine oder andere Bild verkauft habe.«
Melissa verschränkte die Arme vor ihrer Brust und starrte Alexander wütend an. Vergessen waren die magischen Momente, in denen sie das Gefühl gehabt hatte, genau das zu bekommen, wonach sie sich ihr Leben lang gesehnt hatte. Aber schließlich hatte sie sich nicht zum ersten Mal in einem Mann getäuscht.
»Geh jetzt einfach hier raus!«, verlangte sie mit steifen Lippen und wandte den Blick ab, als er sich bückte, um sein Hemd vom Boden aufzuheben. Sie hatte kein Interesse daran, seinen nackten Oberkörper mit den bei jeder Bewegung hervortretenden Muskelsträngen anzuschauen. Es war ärgerlich genug, dass sie selbst in diesem Moment daran denken musste, was für ein attraktiver Mann er war.
Endlich hatte Alexander sich fertig angezogen. Langsam bewegte er sich durch das Zimmer auf Melissa zu und blieb dicht vor ihr stehen.
»Was soll ich tun? Behaupten, dass ich neuerdings an Geistererscheinungen glaube? Es wäre ganz einfach, dein kleines Spiel mitzuspielen, aber ich denke …«
»Es interessiert mich nicht mehr, was du denkst!«, unterbrach sie ihn mit scharfer Stimme. »Tatsache ist, dass du mich entweder für eine Lügnerin oder für eine Verrückte hältst. Auf einen Mann, der so von mir denkt, kann ich
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