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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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bin ich entweder eine Lügnerin oder eine Verrückte. Ich will mit diesem Mann nichts mehr zu tun haben.«
    »Aber immerhin hat er für dich gelogen, um dir Unannehmlichkeiten oder gar eine Verhaftung zu ersparen«, gab Susanne zu bedenken. »So ganz gleichgültig kannst du ihm also nicht sein.«
    »Wahrscheinlich hatte er Mitleid mit mir, so verrückt, wie ich bin. Oder er findet es einfach praktisch, direkt nebenan eine willige Frau vorzufinden. Ich war so blöd, mich auf seine komischen Spiele einzulassen! Angefangen hat es mit einem Pinsel. Hat dir schon einmal jemand die Brust bemalt?«
    Susanne riss erstaunt die Augen auf. »Das hört sich einigermaßen aufregend an.«
    »Glaub mir, es klingt aufregender, als es ist!«, berichtigte Melissa sie kühl. »Außerdem haben die sexuellen Fähigkeiten eines Mannes nichts mit seinem Charakter zu tun.«
    »Er ist also ein guter Liebhaber?«
    Als Melissa nicht antwortete, fuhr Susanne zögernd fort: »Vielleicht solltest du es dir doch noch einmal überlegen. Immerhin hat er dich nicht im Stich gelassen, als du Hilfe brauchtest, das kannst du von deinem toten Ehemann nicht behaupten …«
    »Ich habe gesagt, ich will nichts mehr mit dem Kerl zu tun haben!«, schrie Melissa ihre Freundin an.
    »Er könnte seine Aussage widerrufen. Dann hast du echte Probleme.«
    »Glaubst du, ich schlafe mit jemandem, nur damit er für mich lügt?« Melissa steigerte sich immer mehr in ihre Empörung hinein. Jetzt fiel ihre beste Freundin ihr auch noch in den Rücken!
    »So habe ich das nicht gemeint«, versuchte Susanne, sie zu beruhigen. »Ich dachte nur, wenn ihr euch beim Sex so gut verstanden habt, könnte er dir auch sonst guttun.«
    »Ich möchte nicht mehr über ihn reden. Mein Mann ist seit nicht einmal vierundzwanzig Stunden tot, und wir sitzen hier und streiten uns über meinen Geliebten. Richard war während der letzten Jahre ein verdammt kaltherziger, machtgieriger Typ, aber ich kann ihn trotzdem nicht von einer Minute auf die andere aus meinem Leben streichen. So einfach ist das nicht.« Mit einer wütenden Bewegung wischte Melissa sich über die Augen.
    »Wir hatten auch schöne Zeiten«, fuhr sie nach einer Pause fort. »Heute Vormittag fiel mir plötzlich unser Urlaub auf Hawaii ein. Das muss im ersten Jahr unserer Ehe gewesen sein. Er brachte mir jeden Tag einen frischen Blütenkranz und sagte, es sei wundervoll, mich jeden Morgen aufs Neue in seinem Leben zu begrüßen. Eigentlich will ich an diese alten Geschichten gar nicht mehr denken, es ist eine Ewigkeit her, und den Richard von damals gab es schon lange nicht mehr. Aber es ist nicht so einfach, zu vergessen. Am liebsten würde ich mich ins Bett legen und zwei Tage und zwei Nächte durchschlafen. Vielleicht ist alles vorbei, wenn ich wieder aufwache.«
    Susanne nickte verständnisvoll. Sie begriff, dass Melissas letzte Bemerkung ein sanfter Hinausschmiss war. »Wahrscheinlich ist es eine gute Idee, dass du dich gründlich ausschläfst. Dann sollte ich jetzt vielleicht losfahren, wenn du mich wirklich nicht mehr brauchst. Du weißt, bei Regen fahre ich nicht gern im Dunkeln. Wir bleiben auf jeden Fall telefonisch in Kontakt.« Susanne griff nach ihrer Handtasche.
    Wortlos gingen die beiden Frauen Seite an Seite durch die Halle. In dem Moment, in dem Melissa die Hand auf die Klinke legte, um für ihre Freundin die Haustür zu öffnen, schrie sie leise auf, weil ihr plötzlich etwas einfiel.
    »Ich habe ihn fotografiert! Das hatte ich ganz vergessen.« Mit vor Aufregung funkelnden Augen starrte sie Susanne an.
    »Wen hast du fotografiert?«
    »Ich habe euch beide fotografiert, Julius und dich. Kannst du dich nicht erinnern? Ihr habt dort drüben vor der Treppe gestanden.«
    Susanne wurde kreidebleich. »Du meinst, das war der … Ich habe mit ihm gesprochen … ihm die Hand gegeben?«
    »Aber natürlich!« Melissa stürzte zu der kleinen Kommode, zerrte den Fotoapparat aus der Schublade und rannte die Treppe hinauf. Oben angekommen, drehte sie sich zu Susanne um, die immer noch unten in der Halle stand. »Ich brauche nur ein paar Minuten, um die Bilder zu entwickeln. Komm!«
    Susanne zögerte. »Ich warte hier unten. Am besten rufe ich gleich Jochen an und sage ihm, dass es noch ein bisschen dauert. Sonst macht er sich Sorgen.«
    Melissa war bereits in ihrer improvisierten Dunkelkammer in einem der Bäder im oberen Stockwerk verschwunden. Mit fliegenden Händen verrichtete sie die nötigen Arbeiten und ärgerte sich

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