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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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Schreibtischkante zu erheben und dem Fenster zu nähern, wohin Melissa sich geflüchtet hatte.
    »Es tut mir leid, wenn du so von mir denkst. Wahrscheinlich hast du sogar Recht«, sagte er leise, streckte seine Hand aus und fuhr mit gespreizten Fingern durch ihr Haar. Bevor sie zurückzucken konnte, war seine Hand schon wieder fort, und er betrachtete einen Marienkäfer, der über seinen Daumennagel krabbelte.
    »Bist du im Park spazieren gegangen?«, erkundigte er sich nach einem kurzen Blick auf ihre lehmigen Pumps.
    Sie presste die Lippen aufeinander. Es ging ihn nichts an, wo sie gewesen war und was sie getan hatte.
    Alexander öffnete das Fenster und hielt den Daumen mit dem roten Käfer darauf in den lauen Wind. Sofort spreizte das winzige Tier seine Flügel und segelte davon.
    Nachdem er das Fenster wieder geschlossen hatte, wandte er sich ihr zu. »Gibt es nicht einen Spruch, der heißt, was man liebt, soll man fliegen lassen? Es kommt zurück, wenn es die Liebe erwidert.«
    »Wie rührend! Dann viel Spaß beim Warten!«, spottete sie und ignorierte den Kloß in ihrem Hals.
    »Ich nehme an, du hast ein Recht, wütend auf mich zu sein. Manchmal bin ich selbst wütend auf mich, weil ich so unheilbar verrückt nach dir bin. Ich dachte, nach Sarah, nach dieser großen Liebe, würde nichts mehr kommen. Aber jetzt befürchte ich, dass dies meine letzte Chance ist.« Alexanders Blick wanderte durch das Fenster in den Sommerhimmel.
    Melissa warf den Kopf in den Nacken und stieß ein hartes, zynisches Lachen aus. »Du hast die Chance ergriffen, mich zu bumsen, das stimmt.« Sie benutzte mit Absicht ein Wort, das sie normalerweise nicht mochte, weil sie hoffte, ihm damit wenigstens ein bisschen wehzutun.
    »Als … Liebhaber bist du durchaus akzeptabel«, fuhr sie in gleichmütigem Ton fort. »Aber bilde dir nicht ein, dass ich aus lauter Dankbarkeit für alle Zeiten deine Sklavin sein werde!«
    Als sie den Zorn bemerkte, der in seinen grünen Augen aufblitzte, spürte sie den Triumph bis tief in ihren Bauch. Endlich hatte sie ihn da, wo sie ihn haben wollte! Er sollte diese ekelhafte, überlegene Gelassenheit ablegen und sagen, was er wirklich dachte.
    Alexander holte tief Luft. Dann kamen die Worte zischend über seine fast geschlossenen Lippen: »Und du bilde dir nicht ein, ich ließe zu, dass du für immer und alle Zeiten auf meinen Gefühlen herumtrampelst! Es wird wohl besser sein, wenn wir uns demnächst nicht mehr über den Weg laufen.«
    »Genau!« Melissa nickte und sah Alexander geradeaus in die Augen. Endlich zeigte er sein wahres Gesicht!
    »Wann hast du vor, auszuziehen? Ich nehme an, das Haus ist ohnehin zu groß für dich allein, während ich mir schon manchmal überlegt habe, ob ich nicht doch wieder dort leben sollte. Ich könnte mittlerweile ein größeres Atelier gebrauchen. Und immerhin ist das Gebäude tatsächlich seit fast zweihundert Jahren im Besitz meiner Familie …«
    »Du willst mich rausschmeißen?« Melissa starrte ihn entsetzt an.
    »So würde ich es nicht ausdrücken. Natürlich hast du so viel Zeit, wie du braucht, um dir etwas Neues zu suchen.«
    Bei dem Gedanken, für immer das Haus zu verlassen, das sie von der ersten Sekunde an als ihr Zuhause angesehen hatte, schnürte es Melissa die Kehle zu. Sie konnte nicht einfach fortgehen und Julius seinem Schicksal überlassen!
    »Hast du vergessen … In deinem Haus spukt es!« Mit zitternder Stimme spielte sie ihren letzten Trumpf aus.
    »Ich bin nicht besonders ängstlich. Außerdem handelt es sich praktisch um einen meiner Ahnen. Jedenfalls wollte er in meine Familie einheiraten. Wir werden schon miteinander klarkommen, denke ich. Zudem hat er sich mir nie gezeigt, solange ich in dem Haus gewohnt habe.«
    »Aber du kannst ihn doch nicht noch weitere hundertfünfzig Jahre herumgeistern lassen!«
    Alexander zuckte betont gleichgültig mit den Achseln. »Warum nicht? Wenn es ihm gefällt.«
    »Es gefällt ihm nicht. Er ist unglücklich. In all diesen Jahren war er auf der Suche nach Annabelle, aber natürlich kann er sie nicht mehr finden, denn sie ist ja schon lange tot. Also muss man ihn … ich weiß nicht … erlösen.« Vor lauter Bemühen, Alexander die Sachlage auseinanderzusetzen, hatte Melissa vergessen, zu atmen. Nun schnappte sie unüberhörbar nach Luft.
    »Wenn’s sein muss, werde ich ihn erlösen. Falls er mir verrät, was ich zu tun habe. Hoffentlich muss ich ihn nicht küssen.« Noch immer trug Alexander die unbewegte

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